Cowboy - Riskanter Einsatz
Cats Schweigen hören, wie überrascht sein Commander war. Es zog sich in die Länge, sagte mehr als tausend Worte.
„Jones, die Sonne geht in knapp drei Stunden unter“, erklärte er schließlich. Die SEALs arbeiteten am besten und sichersten bei Nacht. Im Schutz der Dunkelheit konnten sie sich fast unsichtbar bewegen.
Cowboy schaltete sein Fernglas auf Infrarot um und überprüfte noch einmal das Gebäude. „Wir sollten jetzt reingehen.“
„Was siehst du, was ich nicht sehe, Junge?“, fragte Joe Cat. Die Frage war ernst gemeint, ohne einen Funken Ironie. Cat verfügte über Unmengen von Erfahrung, von denen Cowboy bestenfalls träumen konnte. Und er war erst kürzlich zum Captain befördert worden; Cowboy dagegen war nur ein kleiner Ensign. Aber Captain Joe Catalanotto war ein Anführer, der die Stärken jedes einzelnen Mitglieds seines Teams kannte und berücksichtigte. Er belastete jeden Mann bis an die Grenzen seiner Fähigkeiten. Gelegentlich auch darüber hinaus.
Jeder seiner Männer konnte durch Mauern sehen, sofern er über die richtige Ausrüstung verfügte. Aber keiner von ihnen konnte die dabei gewonnenen Informationen so lesen und interpretieren wie Cowboy. Cat wusste das.
„Mindestens fünfzig Tangos drin.“
„Ja, genau das sagt Bobby auch.“ Cat machte eine kurze Pause. „Irgendwas Besonderes?“
„Das Bewegungsmuster.“
Cowboy hörte, wie Cat Bobbys Platz am Schlafzimmerfenster einnahm. Es blieb eine Weile still, dann fluchte Cat. „Sie machen Platz für irgendetwas.“ Er fluchte erneut. „Oder für irgend jemanden.“
Cowboy schnalzte einmal kurz bestätigend ins Mikrofon. Genau das vermutete er auch.
„Sie räumen den gesamten Ostflügel des Gebäudes“, fuhr Joe Catalanotto fort. Jetzt konnte er sehen, was Cowboy aufgefallen war. „Wie viele weitere Tangos erwarten sie wohl?“
Das war eine rhetorische Frage, aber Cowboy antwortete trotzdem. „Zweihundert?“
Cat stieß erneut einen Fluch aus, und Cowboy wusste, was er dachte. Fünfzig Tangos – damit konnten sie fertig werden. Zumal, wenn es sich um Witzfiguren handelte wie die, die sie den ganzen Tag hatten aus- und eingehen sehen. Aber zweihundertfünfzig gegen gerade mal sieben SEALs … Damit standen ihre Chancen deutlich schlechter. Hinzu kam: Sie hatten keine Ahnung, ob die Tangos, die demnächst eintreffen würden, vielleicht echte Soldaten waren. Möglicherweise wussten sie mit ihren Waffen umzugehen – im Gegensatz zu denen, die derzeit das Gebäude besetzt hielten.
„Macht euch fertig zum Aufbruch“, kam Cats Befehl an die übrigen Männer der Alpha Squad über sein Headset.
„Cat.“
„Yo, Jones?“
„Drei Wärmequellen haben sich den ganzen Tag kaum bewegt, wie mir aufgefallen ist.“
Cat lachte. „Willst du etwa behaupten, du hättest unsere Geiseln entdeckt?“
Cowboy schnalzte einmal ins Mikrofon.
Christopher Sterling, Kurt Matthews und Melody Evans. Cowboy gingen die Namen der drei immer wieder im Kopf herum, seit sie im Flugzeug über die Details ihres Auftrags informiert worden waren. Die Maschine hatte sie zu ihrem Eintrittspunkt gebracht; dort waren sie aus großer Höhe abgesprungen. Erst knapp über dem Boden hatten sie ihre Fallschirme geöffnet und waren nahe der von Terroristen kontrollierten Stadt in der Wüste gelandet.
Auch Cowboy hatte die Bilder von den Geiseln gesehen.
Alle Männer der Alpha Squad hatten das Foto von Melody Evans ein wenig länger betrachtet als nötig. Sie konnte kaum älter als zweiundzwanzig sein, höchstens dreiundzwanzig – fast noch ein Kind. Auf dem Foto trug sie eine blaue Jeans und ein schlichtes T-Shirt, das ihre weibliche Figur weder betonte noch versteckte. Sie hatte blaue Augen, langes blondes Haar, das ihr in weichen Wellen über die Schultern fiel, und lächelte, ein offenes, leicht schüchternes Lächeln. Ihr hübsches Gesicht erinnerte jeden von ihnen an die eigene kleine Schwester. Sogar jene, die wie Cowboy gar keine kleine Schwester hatten.
Und Cowboy wusste, dass sie alle dasselbe dachten: Während sie im Flugzeug saßen und darauf warteten, ihre Absprungposition zu erreichen, war dieses Mädchen auf Gedeih und Verderb einer Bande von Terroristen ausgeliefert, die nicht gerade dafür berühmt waren, ihre Geiseln anständig zu behandeln. Ganz im Gegenteil. Diese Terroristen hatten erwiesenermaßen schon oft auf Folter und Misshandlung zurückgegriffen. Ihr intensiver Hass auf alles Amerikanische war bestens bekannt.
Er wollte
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