Coxi Flederwisch - Hexerei im Pausenhof
Herrn Morsch nie begegnet. Aber Bramhild Flederwisch war es einfach nicht gewohnt, Treppen zu steigen. Zu Hause im Hexenwald benutzte sie für jede Steigung einen Hexenbesen. Darum hob sie den rechten Fuß nicht weit genug an, stolperte und fiel mit Getöse hin.
Coxi und Lieselotte blieben stehen und sahen sich erschrocken an. Was jetzt?, hieß dieser Blick. Anstelle einer Antwort hörten sie Valentinas Stimme: »Herr Morsch, sind Sie da oben?«, und noch bevor Oma Bramhild wieder auf ihren Hausmeisterbeinen stand, kam das Mädchen um die Ecke gebogen.
»Herr Morsch!«, stieß sie atemlos hervor. »Da sind Sie ja. Ich soll Sie holen! Es brennt!«
Valentina blieb stehen und wartete darauf, dass Herr Morsch fürchterlich erschrak. Das tat er aber nicht.
Valentina holte also noch einmal tief Atem und rief: »Ein Blitz hat den Ahornbaum getroffen!«
Noch immer reagierte der Schulleiter nicht. Zumindest nicht so, wie er das in Valentinas Augen sollte. Er riss die Augen nicht auf und er rief auch nicht »Um Himmels willen!«. Nein, er blieb ungerührt auf der obersten Stufe stehen, sah Valentina verärgert an und knurrte: »Hau ab. Und zwar feuerbesenschnell. Wir brauchen hier niemanden!«
»Aber es brennt!«
»Das ist mir so egal wie ein fauler Hexenzahn!«
»Was?« Jetzt klappte Valentinas Kinn weit nach unten. Mit offenem Mund starrte sie den Coxi-Schulleiter an.
Lieselotte suchte nach irgendeiner halbwegs passenden Erklärung. »Herr Morsch kommt gleich. Wir führen nur zwei Handwerker auf den Da… äh, nach oben, die sollen da was reparieren.«
»Handwerker?«, fragte der eine Hexen-Hausmeister.
»Reparieren?«, fragte der andere Hexen-Hausmeister.
»Ach … nein … ähm … das erkläre ich Ihnen gleich. Auf jeden Fall, Valentina, hast du ja gehört, was Herr Morsch gesagt hat: Jetzt geht es gerade nicht.«
»Aber …«, stammelte Valentina noch einmal. Dann drehte sie um. Sie taumelte die Treppe hinunter und murmelteratlos vor sich hin: »… aber es brennt doch! Da ist doch ein Feuer! Da muss man doch …«
Kaum war sie weg, öffnete Lieselotte die Tür zum Dachboden. Sie wies den Hexen-Hausmeistern den Weg hinein und deutete zum anderen Ende des großen Speicherraumes, dorthin, wo ein ganzer Stapel großer Kartons lagerte. »Sehen Sie dahinten, da finden Sie irgendwo die Umzugskiste!«
»Vollmondgroßen Dank«, sagte der erste Hexen-Hausmeister und gab Lieselotte einen Handkuss, bei dem tatsächlich ein paar grüne Funken durch die Luft stoben. Dasselbe wiederholte er bei dem falschen Herrn Morsch.
»Ebenso«, sagte der zweite Hexen-Hausmeister, verneigte sich tief und ließ dabei bunt schillernden Rauch aus seinem Zauberstab qualmen. Dann verschwanden beide hinter der Tür.
Lieselotte und Coxi sahen sich an und strahlten. Es hatte geklappt!
»Jippie!«, rief Lieselotte.
»Und jetzt ritsch-ratsch-runter in den Keller!«, jubelte Coxi. Begeistert sprangen sie die Treppe hinunter. Vor lauter Freude dachten sie nicht mehr daran, leise zu sein. Und vor lauter Eile dachten sie nicht mehr daran, umdie Ecken zu spähen. So war es nicht verwunderlich, dass sie zwei Minuten später direkt in Frau Sönnchens Arme liefen.
Die Lehrerin war gemeinsam mit Valentina ins Haus gekommen, weil sie nicht glauben konnte, dass der Schulleiter sich so benommen hatte, wie Valentina behauptete.
»Herr Morsch!«, rief sie jetzt aufgeregt. »Feuer! Sie müssen kommen!«
»Keine Zeit!«, antwortete Coxi widerwillig und wollte sich vorbeidrängen. Aber das ließ Frau Sönnchen nicht zu. Sie fasste den Coxi-Schulleiter am Oberarm und schüttelte ihn: »Herr Morsch! Haben Sie denn nicht gehört? Es brennt!«
Wahrscheinlich hätte dieser Griff Coxi auch nicht sonderlich beeindruckt – wenn sie nicht im selben Moment von hinten einen schmerzhaften Stoß in die Rippen bekommen hätte. Dort stand Lieselotte und der war klar, dass Frau Sönnchen nicht auch noch misstrauisch werden durfte. »Geh mit! Das fällt sonst auf! Und tu ein bisschen entsetzt!«, flüsterte sie Coxi ins Ohr.
Da riss der Coxi-Schulleiter den schmalen Mund weit auf und rief mit krächzender Mädchenstimme: »Blitzdonnerfunkenzack! Ich bin entsetzt und ich komme mit!« Dann schaute er durch seine rechteckige Brille zu Lieselotte, ob er alles gut gemacht hatte.
Diesen Seitenblick sah Frau Sönnchen zum Glück nicht. Sie beugte sich zu Valentina und sagte: »Na also!« Dann marschierte sie eilig auf den Schulhof.
Hier hatte sich nichts verändert.
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