CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
das eher für unwahrscheinlich.
Beagle und er gingen am Rathaus, an der Touristeninformation und an der Bücherei vorbei. Der Hund blieb stehen und suchte schnüffelnd eine geeignete Stelle, um sein Geschäft zu erledigen. Alex beobachtete einen Mann, der gerade aus der Bücherei kam. Er erhaschte einen kurzen Blick nach drinnen und sah eine Frau, die Broschüren in einen Reklameständer einsortierte. Die Frau ähnelte seiner Mum überhaupt nicht, sie war älter, ihre silbergrauen Haare waren zum Pferdeschwanz gebunden (Mum hatte einen kastanienbraunen Kurzhaarschnitt) – aber der Anblick einer Bibliothekarin ging Alex trotzdem an die Nieren. Ehe die Türwieder zufiel, erspähte Alex hinter dem Rücken der Bibliothekarin noch etwas anderes: eine ganze Reihe Computer.
Beagle war fertig. Alex hob die Kacke mit der Tüte auf und versenkte das Ganze in einem Mülleimer. Dann band er die Leine an einen Fahrradständer, sagte ein paar beruhigende Worte, ging die Stufen zur Bücherei hoch und ließ den Hund draußen warten.
»Ja hallo, Philip!« Die grauhaarige Bibliothekarin klang erfreut, aber ihre Miene war überrascht. Der Aussprache nach war sie Irin. »Du lässt dich hier ja nicht allzu oft sehen.«
»Nein, ich … ich war … Nein. Hallo.«
»Wie geht’s deiner Mutter?«
Aha, daher kannte sie ihn also. »Der geht’s prima, danke.«
Die Bücherei würde bald schließen, die Frau war ziemlich beschäftigt. Ein Rechner war besetzt, aber die anderen waren frei. »Darf ich da mal ran?«, fragte Alex.
»Na klar. Augenblick, es geht gleich los.« Die Bibliothekarin trat hinter den Tresen und tippte auf einer Tastatur herum. »Hast du deine Karte dabei, Philip?«
»Äh, nein. Die liegt leider zu Hause.«
»Macht nichts, ich finde dich bestimmt im Computer. Tyrol Place, richtig?«
Richtig? Alex war Philips Straße heute schon mehrmals auf und ab gegangen, ohne dass er sich den Namen gemerkt hätte. Oder Flips Hausnummer. »Ja«, bestätigte er. »Tyrol, genau.«
»Da habe ich dich. Du kannst Nummer 3 nehmen.« Sie zeigte auf einen der PCs und schaute dann auf die Uhr. »Aber wir machen gleich zu.«
Die Eingangsmaske wollte seinen Namen und sein Geburtsdatum wissen. Alex tippte »Philip Garamond«, dann die gewünschten Daten. Als die nächste Seite aufging, klickte er das Internet-Icon an. Er wollte seinem besten Freund David mailen. Wenn ihm jemand sagen konnte, was bei ihm zu Hause vor sich ging, dann David. Auch Davids Handynummer war nur in seinem eigenen Handy gespeichert, weshalb er ihn nicht anrufen konnte. Aber Mailen müsste ja wohl klappen. Als Erstes probierte Alex, ob er über die Homepage seines Providers an seine eigenen Mails herankam, erhielt aber sofort eine Mitteilung, dass es den Account nicht mehr gab. Wieso das denn? Wer hatte ihn löschen lassen? Dann ging er auf die Seite der Crokeham Hill High School und klickte sich zum schulinternen E-Mail -System durch. Doch als er seine Daten eingab, wurden sowohl Benutzername als auch Passwort für ungültig erklärt. Alex starrte ungläubig auf den Bildschirm. Seine Hand schwebte über der Tastatur. Telefonnummer, Mailadressen … es kam ihm vor, als würde er selbst Stück für Stück gelöscht.
»Philip.« Er fuhr zusammen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er so dagesessen hatte. »Tut mir leid, mein Lieber, aber wir schließen jetzt.«
Erst als er vom Computer aufstand und zur Tür ging
(Tschühüss, Philip! Grüß Alanna von mir, ja?),
traf es ihn wie ein Schlag.
Alex stand auf der Treppe, hinter ihm fiel die Tür zu. In Gedanken ging er noch einmal alles durch, was er an dem PC gemacht hatte. Beim Einloggen ins Bibliothekssystem hatte er wie verlangt seinen »Namen« und das »Geburtsdatum« eingegeben.
Aber. Aber, aber, aber … er hatte ganz automatisch sein
eigenes
Geburtsdatum eingegeben. Philips Geburtsdatum konnte er gar nicht eingeben, weil er es nicht kannte. Er hatte also sein eigenes eingetippt – und das System hatte es akzeptiert.
Was bedeutete – was nur bedeuten
konnte –,
dass Alex Gray und Philip Garamond im selben Jahr, im selben Monat und sogar am selben Tag zur Welt gekommen waren.
5
Sein erster Gedanke war: Zwillinge
.
Aber das war Unsinn. Alex sah seinem Vater zu ähnlich, als dass er nicht sein Sohn hätte sein können: die rötlichen Haare, die Sommersprossen, die Augen, die Nase … und Mums Asthma hatte er auch geerbt. Flip sah völlig anders aus: Er war vom Typ her viel zu
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