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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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Körpers wurde bald überlagert, zuerst vom Geruch von Hasch, dann von dem von Vaughans Samen, nachdem wir den ersten Unfall passiert hatten. Während ich den Wagen durch ein Netz von Seitenstraßen zum nächsten Unfall steuerte, mein Kopf wurde von dem brennenden Harz beeinträchtigt, dachte ich an Vaughans Körper im Badezimmer seiner Wohnung, an den kräftigen Schlauch seines Penis, der von seinen breiten Lenden herabhing. Die Narben seiner Knie und Hüften waren wie winzige Sprossen, Haltegriffe einer Leiter verzweifelter Genüsse.
    In den frühen Morgenstunden sahen wir drei Unfälle. Ich stellte mir mit meinem benebelten Verstand vor, daß wir immer noch nach Seagrave suchten, doch Vaughan hatte bereits das Interesse an dem Stuntfahrer verloren. Nach dem dritten Unfall rauchte Vaughan seine Zigarette zu Ende, Polizisten und Feuerwehrmänner waren bereits wieder abgefahren, und begab sich mit unsicheren Schritten zum Straßenrand. Ein schwerer Wagen, den eine Zahnärztin in mittleren Jahren gefahren hatte, hatte die Leitplanken durchbrochen und war einige Meter in einen verlassenen Schrebergarten hinabgestürzt. Ich folgte Vaughan und sah von der Balustrade zu, wie er zu dem nun auf dem Rücken liegenden Fahrzeug hinabkletterte. Vaughan ging durch das kniehohe Gras um den Wagen herum und hob schließlich ein Stück weiße Kreide auf, das einer der Polizisten fallen gelassen hatte. Mit den Händen, die er gegen die verzogenen Metallrahmen preßte, ertastete er die scharfen Kanten gesplitterten Glases und geborstenen Metalls. Er blieb einen Augenblick in der Dunkelheit stehen, dann urinierte er gegen den immer noch warmen Kühler des Wagens. Dampf stob in die Nachtluft. Er betrachtete seinen halb erigierten Penis, dann sah er mich auf ratlose Weise an, sollte ich ihm helfen, dieses seltsame Organ zu identifizieren. Er preßte ihn gegen den rechten vorderen Kotflügel der Limousine und zog die Umrisse mit der Kreide nach. Er inspizierte das Bild auf dem Lack nachdenklich, dann ging er anscheinend zufrieden um den Wagen herum und zeichnete das Profil seines Penis auf Türen und Fenster, auf die Motorhaube und die Heckstoßstange. Vaughan umfaßte seinen Penis mit der Hand, um ihn vor Verletzungen durch scharfe Metallteile zu schützen, während er ins Innere des Wagens kletterte und dort die Umrisse des Penis auf das Armaturenbrett und die mittlere Armstütze zeichnete, um so den erotischen Fokus eines Unfalls oder Gcschlechtsaktes zu umreißen und die Verbindung seiner eigenen Genitalien mit dem geborstenen Armaturenbrett zu zelebrieren, an dem die Zahnärztin gestorben war.
    Für Vaughan enthielten die winzigsten Details ein organisches Leben, das mindestens ebenso bedeutend war wie die Gliedmaßen und Sinnesorgane der Menschen, die in den Fahrzeugen gefahren waren. Er hieß mich manchmal vor Ampeln halten und betrachtete dann minutenlang den Winkel eines Scheibenwischers oder einer Windschutzscheibe an eineni geparktcn Automobil. Die Körperkonturen amerikanischer Limousinen und europäischer Sportwagen, sowie deren Subordination von Funktion und Gestik, faszinierten ihn. Wir konnten stundenlang einem neuen Ferrari oder Buick folgen, während er jede Einzelheit von Form und Beschaffenheit des Hecks studierte. Mehrere Male wurden wir von der Polizei angehalten, wenn Vaughan sich hinter einen Lamhorghini klammerte, der von einer bekannten Sheppertoner Persönlichkeit gefahren wurde, um besitzergreifend Fensterverstrebungen, Anordnung der Scheinwerfer oder Verankerung des Radgehäuses zu fotografieren. Er war geradezu besessen vom Design verchromter Stoßstangen, rostfreier Edelstahltrittbretter, chromglänzender Scheibenwischer, Kofferraumschlösser und Türgriffe.
    Er streifte durch die Parkplätze der Supermärkte entlang der Western Avenue und sah sich um, als würde er durch ein Strandgebiet gehen, fasziniert von den hochgezogenen Stoßstangen einer Korvette, die von einer jungen Hausfrau gefahren wurde. Front- und Heckspoiler konnten Vaughan in eine Trance der Erinnerung versetzen, als würde er im Geiste einen Paradiesvogel wiedersehen. Fuhren wir die Landstraßen entlang, gab er mir oftmals ein Zeichen, die Fahrspurbe grenzungen zu überfahren und den Lincoln so zu steuern, daß das exakte Profil eines Coupés vor uns im Sonnenlicht zu sehen war, wenn es an uns vorüberfuhr, damit er sich an den perfekten Proportionen einer Heckanordnung ergötzen konnte. Die Gleichungen zwischen dem Styling eines Automobils

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