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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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Spitze meines Penis abtastete und die Kontaktpunkte eines imaginären Automobilunfalls nachzeichnete, die Vaughan ihrem Körper aufgedrückt hatte.

    Am nächsten Morgen fuhr ich zu den Studios nach Shepperton und genoß gelöst den dichten Verkehr um mich her, endlich frei, mir auch das Vergnügen der linken, schnelleren Fahrspuren zu gönnen. Die vielfarbigen Panzer unzähliger Fahrzeuge bewegten sich wie die willkommenen Zentauren eines Landes Arkadien über die anmutig geschwungenen Betonpisten der Straßen.
    Vaughan erwartete mich bereits am Parkplatz der Studios, er hatte den Lincoln auf meinem Platz geparkt. Die Narben seines Magens schimmerten im Morgenlicht. Sie befanden sich nur wenige Zentimeter von meinen Fingern entfernt, mit denen ich die Tür schloß. Ein breiter Kreis getrockneter Vaginalflüssigkeit verunzierte seine Jeans und markierte so deutlich die Stelle, wo sich die Vulva meiner Frau gegen seinen Unterleib gepreßt hatte.
    Vaughan öffnete die Fahrertür des Lincoln für mich. Während ich hinter dem Lenkrad Platz nahm, wurde mir schla gartig klar, daß ich nun so viel Zeit wie möglich mit ihm zusammen verbringen wollte. Er sah mich an, ein Arm lag hinter mir auf der Rückenlehne, sein schwerer Penis deutete aus der Gabelung zwischen seinen Beinen auf mich. Jetzt erst spürte ich die Elemente meiner tatsächlichen Begierde für Vaughan, Elemente von Eifersucht, Liebe und Stolz. Ich wollte seinen Körper berühren, die Hand ebenso auf seinen Schenkel legen, wie ich es bei meiner ersten Begegnung mit Catherine getan hatte, ich wollte mit einer Hand seine Taille umklammern, wenn wir vorn Wagen weg oder auf ihn zugingen.
    Als ich den Zündschlüssel umdrehte, sagte Vaughan:
    »Seagrave ist fort.«
    »Wohin? Die Unfallszene hier ist abgedreht.«
    »Gott weiß wohin. Er fährt mit der Perücke und einem Leopardenfellmantel umher. Vielleicht verfolgt er Catherine.«

    Ich verließ mein Büro. An diesem ersten Tag fuhren wir stundenlang entlang der Schnellstraßen und suchten Seagrave, während wir in Vaughans Radio die Unfallstatistiken und Krankenwagenaufforderungen mithörten. Vaughan hörte sich die Unfallmeldungen an und richtete seine Kameras auf dem Rücksitz.
    Erst als das Abendlicht über den letzten Verkehrsstaus des Tages lag, wurde Vaughan richtig wach. Ich fuhr ihn zu seinem Apartment, einem riesigen Einzimmerstudio im obersten Stockwerk eines Blocks, der den Fluß nördlich von Shepperton überblickte. Der Raum war voller ausgedienter elektronischer Ausrüstungsteile - Schreibmaschinen, ein Computerterminal, mehrere Oszillografen, Tonbänder und Filmkameras. Ballen von Stromkabeln lagen auf dem ungemachten Bett. Die Bücherregale quollen über mit wissenschaftlichen Fachbüchern, unvollständigen Jahrgängen populärwissenschaftlicher Magazine, Science-fictionTaschenbüchern und Exemplaren seiner eigenen Werke. Vaughan hatte das Apartment ohne das geringste Interesse eingerichtet - die Chrom- und Vinylstühle erweckten den Eindruck, als wären sie völlig wahllos aus dem Schaufenster eines Vorstadtmöbelgeschäftes ausgewählt worden.
    Über allem aber dominierte Vaughans offensichtlicher Narzißmus in der Wohnung - die Wände von Atelier, Badezimmer und Küche waren mit Fotografien von ihm selbst bedeckt, mit Szenenfotos seiner Fernsehsendungen, mit Fotokopien von Zeitungsausschnitten, mit Polaroidschnappschüssen ‚ mit Bildern hinter den Kulissen seiner Sendungen, auf denen er sich der Aufmerksamkeit der Maskenbildnerin erfreute oder um der Fotografen willen dem Produzenten zuwinkte. Alle Fotografien datierten aus der Zeit vor Vaughans Unfall. Es war, als lägen die dazwischenliegenden Jahre innerhalb einer zeitlichen Niemandzone, eine Periode, deren Notwendigkeiten noch weit jenseits jeglicher Vergeblichkeit lagen. Und doch wurde Vaughan, der duschte und die Kleidung wechselte, selbstbewußt von diesen Fotografien absorbiert, er strich umgeknickte Ecken glatt und schien dabei fast der Befürchtung zu sein, seine eigene Identität würde erlöschen, wenn das letzte der versammelten Bilder verschwand.
    Ich bemerkte seine Versuche, sich selbst zu manifestieren, seine Identität zu verankern, indem er sie mit einem äußerlichen Ereignis in Verbindung brachte, während wir an jenem Abend die Straßen entlangfuhren. Vaughan hatte sich neben mir in den Beifahrersitz geflegelt, hörte dem Radio zu und zündete sich gerade seine erste Zigarette an. Doch der frische Geruch seines geduschten

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