Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
Vom Netzwerk:
ausgedacht hatte. Vaughan befragte mich wiederholt nach dem Sexualleben der Schauspielerin, über das ich nichts wußte, und drängte mich, Catherine zu ausgiebigem Suchen in vergriffenen. Filmmagazinen anzuhalten. Viele seiner Geschlechtsakte waren ganz eindeutig Modelle imaginärer Akte von ihr im eigenen Automobil.
    Daneben hatte Vaughan auch bereits die imaginären Geschlechtsakte einer ganzen Reihe berühmter Persönlichkeiten im Automobil entworfen - Politiker, Nobelpreisträger, international bekannte Athleten, Astronauten und Verbre cher -‚ wie er auch bereits ihre Todesarten vorhergeplant hatte. Während wir über den Flughafenparkplatz schlenderten und nach einem Auto suchten, das wir uns borgen konnten, befragte Vaughan mich nach den Arten, wie Marilyn Monroe oder Lee Harvey Oswald in ihren Autos Verkehr gehabt haben könnten. Armstrong, Warhol, Raquel Welch. Ihre Wahl von Fahrzeug, Modell und Baujahr, ihre Stellungen und bevorzugten erogenen Zonen, die Straßen und Autobahnen Nordamerikas und Europas, die sie in Vaughans Verstand befuhren, während ihre Körper von grenzenloser Sexualität, Liebe, Zärtlichkeit und Erotik besessen waren.
    »… wie die Monroe masturbiert, oder Oswald - mit der rechten oder linken Hand, was meinen Sie? Auf welchen Armaturenbrettern? Wird der Orgasmus schneller mit einem vorstehenden oder versenkten Tachometer erreicht? Farbe und Konturen der Vinylsitze, das Glas der Windschutzscheibe… das sind entscheidende Faktoren. Garbo und Dietrich, auch für einen altersschwachen Verkehr ist Raum genug. Die besonderen Beziehungen von mindestens zwei Kennedys zum Automobil…« Er führte immer vorsätzlich den Seitenschritt zur Selbstparodie aus.
    Und doch wurde Vaughans Besessenheit vom Automobil während unserer letzten gemeinsamen Tage zunehmend chaotischer. Seine Fixierung auf die Filmschauspielerin und den Sex-Tod, den er ihr zugedacht hatte, schienen ihn immer mehr zu frustrieren, da der erhoffte Todesfall nicht eintrat. Anstatt auf den Schnellstraßen dahinzufahren, saßen wir im verlassenen Park hinter meinem Wohnhaus im Drayton Park und sahen zu, wie die herbstlichen Blätter durch das fallende Licht dem nassen Boden entgegenschwebten. Vaughan hörte stundenlang den Polizei- und Notarztfunk ab, sein langer Körper schien verdrießlich, während er den überfüllten Aschebehälter ansah, aus dem Papiertücher und ein alter Tam pon quollen. Da ich mich um ihn sorgte, wollte ich seine narbigen Schenkel und den Magen streicheln und ihm die Automobilverletzungen meines Körpers als Ersatz für die imaginären Wunden anbieten, die er der Schauspielerin wünschte.

    Der Unfall, den ich - nach Vaughans Tod, der in meiner Vorstellung immer mehr Realität wurde - am meisten fürchtete, fand drei Tage später auf dem Harlington Clearway statt. Als die ersten schockierten Kommentare über die zahlreichen Verletzungen der Filmschauspielerin Elizabeth Taylor über Polizeifunk durchgegeben und kurz danach wieder widerrufen wurden, da wußte ich ganz genau, wessen Todesfest wir mit ansehen würden.
    Vaughan saß geduldig neben mir, während ich mit dem Lincoln zur Unfallstelle fuhr. Er starrte die weißen Fassaden der Plastikfabriken und Reifenlager entlang des Clearways resigniert an. Er hörte sich auf der Polizeifrequenz die detaillierten Beschreibungen des Unfalls an, in den drei Fahrzeuge verwickelt waren, wobei er dauernd die Lautstärke höherdrehte, um die abschließenden Meldungen mit voller Lautstärke anhören zu können.
    Eine halbe Stunde spätere erreichten wir den Unfallort in Harlington und parkten den Wagen auf der Grasnarbe unterhalb der Überführung. Drei Wagen waren auf einer Kreuzung kollidiert. Die beiden ersten Fahrzeuge - ein herkömmlicher Fiberglassportwagen und ein silbernes Mercedes Coupé - waren rechtwinklig aufeinandergeprallt, wobei die beteiligten Reifen weggerissen und die Motorhauben eingedrückt worden waren. Der Fiberglassportwagen - das Modell jedes geschwungenen und flossenförmigen Motivs der fünfziger Jahre - war dann am Heck von einer Regierungslimousine mit Chauffeur getroffen worden. Man half der zittern den, aber unverletzten jungen Frau in ihrer grünen Uniform aus dem Wageninnern, ihr Fahrzeug hatte das Motorengehäuse ganz im Heck des Sportwagens begraben. Teile zersplitterten Fiberglases lagen um den zerdrückten Rumpf umher. Sie erinnerten an weggeworfene Karosserieentwürfe im Studio eines Automobildesigners.
    Der Fahrer des

Weitere Kostenlose Bücher