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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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Sportwagens lag tot im Inneren seines Wagens, während zwei Feuerwehrmänner und ein Polizist versuchten, ihn daraus zu befreien. Der Frauenmantel aus Leopardenfell, den er trug, war aufgerissen und entblößte die zerfetzte Brust, doch das platinblonde Haar wurde immer noch ordentlich von einem Haarnetz zusammengehalten. Auf dem Sitz neben ihm lag eine Perücke, die wie eine schwarze Katze aussah. Seagraves schmales und erschöpftes Gesicht war von Fiberglassplitter überzogen, als würde sein Körper bereits kristallisieren, um aus diesem unfreundlichen Universum in eine schönere Dimension zu entfliehen.
    Nur etwa einen Meter von ihm entfernt lag die Fahrerin des Mercedes Coupé unter der gebrochenen Windschutzscheibe diagonal in ihrem Sitz. Eine Menge Schaulustiger drängte sich um die Wagen herum und erdrückten die beiden Arzthelfer fast, die die Frau aus der eingedrückten Fahrerkabine befreien wollten. Von einem mit einer Decke vorbeihuschenden Polizisten erfuhr ich ihren Namen. Es handelte sich um eine ehemalige Fernsehansagerin, deren Blüte einige Jahre zurücklag, die aber immer noch gelegentlich bei Talk-Shows spät in der Nacht aufgetreten war. Nachdem man sie in eine halbsitzende Position aufgerichtet hatte, erkannte ich auch ihr Gesicht, das nun bleich und blutleer war und wie das einer alten Frau wirkte. Ein Netzwerk getrockneten Blutes hing von ihrem Kinn und formte ein Lätzchen. Während sie auf eine Trage gelegt wurde, betrachteten die Zuschauer respektvoll die schweren Verletzungen ihrer Schenkel und des Unterleibs und machten Platz, als sie zum Krankenwagen getragen wurde.
    Zwei Frauen mit Kopftüchern und Tweedmänteln wurden beiseite gestoßen. Vaughan drängte sich mit ausgestreckten Armen zwischen sie. Seine Augen blickten verschleiert. Er umklammerte einen der Haltegriffe, den bereits einer der Männer festhielt, und ging mit zum Notarztwagen. Die Frau wurde ins Fahrzeug gehoben, sie atmete keuchend durch das verkrustete Blut in ihrer Nase. Ich hätte der Polizei um ein Haar eine Warnung zugerufen, denn aufgrund von Vaughans eifriger Handlungsweise war ich überzeugt, daß er gleich seinen Penis herausziehen und damit die blutverklebten Atemwege der Frau wieder freistoßen würde, indem er ihn ihr in den Mund schob. Vaughans übereifrige Handlungsweise schien den Arzt davon überzeugt zu haben, daß er ein Anverwandter war, denn er trat zurück, doch einer der Polizisten erkannte Vaughan und stieß ihn weg, indem er ihn mit der Handfläche gegen die Brust stieß und zum Weitergehen aufforderte.
    Vaughan aber lungerte um die sich schließenden Türen herum und achtete nicht auf den Beamten, dann aber drehte er sich abrupt um und verschwand in der Menge. Er schien sein Vorhaben für den Augenblick vergessen zu haben. Er bahnte sich einen Weg zu dem Sportwagen und sah unsicher auf Seagraves Körper hinab, der in einen koronaähnlichen Harnisch aus gesplittertem Glas gekleidet war, der dem lichten Aufzug eines toten Matadors ähnelte.
    Verwirrt und schockiert über den Tod des Stuntmans und die Kleidungsfetzen der Filmschauspielerin - an sich wieder die Überreste einer kalkulierten Kollision -‚ die immer noch um den Wagen herum verstreut lagen, folgte ich Vaughan durch die Zuschauer. Dieser wanderte mit blanken Augen um den Mercedes, wobei er den Blick nicht von Blutsprit zern auf dem Armaturenbrett abwenden konnte, und untersuchte jedes merkwürdige Wrackteil, das sich als Folge des Unfalls aus dein Nichts materialisiert zu haben schien. Seine Hände vollführten unmerkliche Bewegungen in der Luft und markierten so die Bahnen interner Aufpralle Seagraves innerhalb des Wagens, sowie die mechanischen Bewegungen der zweiten Kollision dieser unbedeutenden Fernsehansagerin mit ihrem Armaturenbrett.
    Später erst ging mir auf, was Vaughan an diesem Unfall so maßlos erzürnt hatte. Nicht etwa Seagraves Tod, sondern vielmehr die Tatsache, daß Seagrave, der immer noch die Kleidung und Perücke Elizabeth Taylors trug, bei diesem Unfall den wirklichen Tod vorweggenommen hatte, den Vaughan für sich selbst erkoren hatte. In seiner Vorstellung war die Schauspielerin nach diesem Unfall tatsächlich gestorben. Für Vaughan blieb jetzt nur noch, die Formalitäten von Raum und Zeit festzuhalten, die Eingänge in ihr Fleisch bei einer Vereinigung mit ihm selbst, die bereits von Seagrave auf dem blutigen Altar seines Wagens zelebriert worden war.

    Wir gingen zum Lincoln zurück. Vaughan öffnete die

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