Crashkurs
vorangeht.
Von entscheidender Bedeutung ist die Frage, wie China mit seiner wachsenden wirtschaftlichen Macht künftig politisch umgeht. In wenigen Jahren wird China in jeder Hinsicht die größte und bedeutendste Volkswirtschaft der Erde sein. Die daraus entstehenden Spannungen dürften enorm sein. Die Amerikaner werden sich diese Position nicht kampflos abnehmen lassen. Aber haben sie überhaupt eine Wahl? Besteht die Gefahr einer militärischen Konfrontation mit dem Westen?
Ich glaube nicht, dass es zu einem echten militärischen Schlagabtausch kommen würde. Ähnlich wie mit Russland herrscht ein Gleichgewicht des Schreckens. Nicht, dass die chinesischen Streitkräfte auch nur annähernd mit der Militärmacht der USA mithalten könnten, aber die Verfügbarkeit von Atomwaffen und Langstreckenträgerraketen, die jederzeit alle relevanten Punkte der Weltkugel inklusive der Vereinigten Staaten erreichen könnten, genügt. Wir haben am Beispiel von Nordkorea gesehen, wie hilflos die USA angesichts der puren Existenz von Atomwaffen zu sein scheinen.
Manche Zahlen wirken auf den ersten Blick beeindruckend: China verfügt mit 2,5 Millionen Mann über die größte Armee der Welt. China hat den viertgrößten Militärhaushalt der Welt mit einer jährlichen Wachstumsrate von etwa 10 Prozent. Dennoch liegt das Gesamtvolumen der Militärausgaben bei etwa 10 Prozent des US-Militärhaushalts. Pro Kopf der Bevölkerung geben die USA 1756 US-Dollar für Waffen aus, China gerade mal 37 US-Dollar. Auch hier agieren die Chinesen ausgesprochen klug und vorausschauend: Ihre Armee ist stark genug, dass sie jeden konventionellen regionalen Konflikt für sich entscheiden können. Das nukleare Arsenal reicht aus, um auch die größten Widersacher von selbstzerstörerischen Abenteuern abzuhalten. Und das genügt.
Der chinesische Weg führt wie die 36 Strategeme nicht mit brutaler Gewalt durch das Haupttor, sondern durch List und Strategie über verschlungene Wege zum Ziel, während die Amerikaner noch immer im Wildweststil durch die Saloontür stürmen. Die amerikanische Art der Machtausübung, die in den seltensten Fällen von Konsens, sondern vielmehr von direktem Druck und militärischer Omnipräsenz geprägt ist, erfordert unvergleichlich mehr finanzielle Mittel. Hier ein paar hundert Militärberater mit Millionen im Gepäck für südamerikanische Paramilitärs und in aller Welt aufwendige Militärstützpunkte, um jederzeit an jedem Ort die Haustür eintreten zu können. Hier mal eben ein Krieg gegen ein Land, um nichtvorhandene Massenvernichtungswaffen zu entsorgen, dort die 6. Flotte in Marsch gesetzt, um mal wieder neue Argumente zu unterstreichen. Das kostet. Im Zweifel kostet es so viel, dass für die Wirtschaft nichts mehr übrig bleibt. Im Gegenteil, immer neue Schulden sind nötig, um die Anabolika zu bezahlen, die die militärischen Muskeln wachsen lassen.
Wie viel schlauer ist da der Weg Chinas. Wenn man nicht dem Rest der Welt seine eigene Ideologie aufdrängen will, spart man sich eine Menge Geld. Und komischerweise fangen diese Staaten, die man nicht erobert, sondern mit denen man Handel auf Gegenseitigkeit betreibt, plötzlich auch noch an, einen zu mögen. So entstehen neue Allianzen, und der Machtkreis erweitert sich immer mehr. Das Beste daran: Es kostet kein Geld, sondern bringt noch welches.
China hat sich in den letzten Jahren zunehmend als Stabilitätsfaktor in der asiatischen Region erwiesen. Peking tritt immer häufiger als Vermittler und Gesprächspartner auf: 2006 fand in China das größte Afrikaforum außerhalb des Kontinents statt; zweiundvierzig von zweiundfünfzig afrikanischen Ländern hatten ihre Vertreter geschickt. Im Jahr 2010 soll unter chinesischer Führung gemeinsam mit den ASEAN-Mitgliedsstaaten Thailand, Indonesien, Philippinen, Singapur und Malaysia die größte Freihandelszone der Erde entstehen. Die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Australien werden immer enger. So eng, dass China Australien im März 2008 aufforderte, seine Beziehung zu den USA zu überdenken. Damit war man vielleicht ein paar Jahre zu früh dran und wohl ein bisschen sehr optimistisch, jedenfalls haben die Australier nicht gerade mit Begeisterung auf diesen allzu herzlichen Umarmungsversuch reagiert. Auch mit dem Rohstoffgiganten Russland versucht China seit längerem den Weg der wirtschaftlichen Partnerschaft zu gehen, doch die Russen sehen mit größtem Unbehagen, welch mächtiger Koloss sich da vor ihrer
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