Crescendo
empfohlen … Sie wurde geschaffen, um dem Manne ein Spielzeug zu sein.
Mary Wollstonecraft
Kapitel dreizehn
Lucinda Hamilton hatte einen frustrierenden Tag hinter sich, denn es war ihr nicht gelungen, eine versnobte Illustrierte dazu zu bringen, über die Eröffnungsparty ihres Kunden zu berichten. Bei ihren Kontakten aus der Schulzeit und ihrem familiären Hintergrund war Lucinda davon ausgegangen, dass eine erfolgreiche Karriere in der PR-Branche für sie ein Kinderspiel würde. Sie hatte eine der neueren Agenturen mit ihren Referenzen überzeugen können, doch das Berufsleben erwies sich leider Gottes als deutlich härter, als sie gedacht hatte. Ihr erster Kunde hatte nach nur einer Woche verlangt, von jemand anderem betreut zu werden. Ihr zweiter hatte sie mit Lob überschüttet … bis ein spontanes Dinner mit einer von Lucindas Schulfreundinnen, inzwischen eine Gesellschaftskolumnistin, zu einem grässlichen Artikel in einer Sonntagszeitung geführt hatte.
Ihr jetziger Kunde war ihre letzte Chance. Er machte ein Erlebnisrestaurant auf und plante, die Eröffnung mit einer rauschenden Party – Lucindas Idee – und entsprechendem Medienrummel zu feiern. Die Kosten lagen schon jetzt weit über dem Budget, doch bislang hatte es auf die Einladungen nur eine klägliche Zahl von Zusagen gegeben.
Wer Lucinda nicht kannte, hielt sie für oberflächlich, eine verwöhnte junge Frau, die zu dem Leben, das die Mehrheit der Bevölkerung führen musste, keinen Bezug hatte. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie war ehrgeizig und wollte zeigen, was in ihr steckte, auch ohne Rückendeckung durch ihre Familie. Was ihr an Intellekt (und, zugegeben, mitunter auch an gesundem Menschenverstand) fehlte, machte sie durch reichlich Charme und eine gewisse Rücksichtslosigkeit wett, die Freunde und Kollegen gleichermaßen verblüffte. Die meisten Bekannten waren ihr wohl gesinnt und bemüht, es sich mit ihr nicht zu verderben, für alle Fälle.
Mit ihrer typischen Unverfrorenheit, die sie durch ein butterweiches Lächeln kaschierte, hatte sie sich am Nachmittag mit ihrem Boss und einer Mitarbeiterin des Kunden zusammengesetzt, um über die Vorbereitungen für die Party zu sprechen. Nach zermürbenden dreißig Minuten war es ihr zwar gerade noch gelungen, den Etat und ihre eigene Rolle als Projektleiterin zu retten, doch sie hatte jetzt nur noch fünf Tage Zeit, um eine anständige Gästeliste vorzulegen, die ein entsprechendes Medieninteresse garantierte. Lucinda hatte die Besprechung mit dem Gefühl verlassen, dass sie lieber sterben würde, als sich geschlagen zu geben.
Das Frog and Nightgown in Knightsbridge war zu einem Treffpunkt der Schickeria geworden, die neuerdings gern so tat, als würde sie lieber Bier als Wein oder Cocktails trinken. Nach Jahrzehnten, in denen für Leute mit Geld nur das Teuerste und Ausgefallenste gut genug gewesen war, galt es nun als cool, zu den einfachen Genüssen zurückzukehren. Aber das Frog hatte trotzdem Niveau. Die Biersorten waren vom Feinsten, und der Küchenchef hatte schon Angebote von Spitzenrestaurants bekommen. Der Pub war zu einer von Lucindas Stammkneipen geworden.
Sie kam früher als sonst, und die Bar war fast leer. Brian, der Barkeeper, bot ihr einen Cocktail an, doch sie bestellte Champagner. Während sie aus dem hohen, gekühlten Glas trank, dachte sie zum ersten Mal darüber nach, was passieren würde, wenn sie tatsächlich scheiterte. Sie würde sich in der Firma auf keinen Fall degradieren lassen, sondern sich einen neuen Job suchen. Das perlende Getränk besserte ihre Stimmung nicht, aber sie trank das Glas dennoch leer und beschloss zu gehen.
Da erschien ein neues Glas Champagner vor ihr auf der glänzend polierten Holztheke.
»Von dem Gentleman dort drüben«, erklärte Brian. »Er hat gemeint, Sie könnten eine kleine Aufheiterung gebrauchen. Sie sollen sich aber nicht verpflichtet fühlen, das hat er ausdrücklich gesagt.«
Lucinda blickte zu dem jungen Mann am anderen Ende der Bar. Er rauchte und hatte ein fast volles Schnapsglas mit einer farblosen Flüssigkeit vor sich stehen. Sie sah die Designer-Uhr, das Ralph-Lauren-Hemd und den weichen Pullover, den er sich um die Schultern gelegt hatte. Das blonde Haar war länger, als es Mode war, aber gut geschnitten, und ihr gefiel die gebräunte Haut, eindeutig von der Sonne, nicht von der Sonnenbank. Nach kurzem Zögern hob sie das Glas zu einem, wie sie hoffte, lässigen Gruß und trank einen kleinen Schluck. Er sah,
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