Crime - Kriminalromane und Thriller schreiben

viel Mühe, uns davon zu überzeugen, dass er ein Mann von höchster Integrität ist. Denn er setzt die moralischen Standards, an denen die Heldin und ihre Taten als positiv, sogar heroisch eingestuft werden können.) Dieser Bulle also schöpft Verdacht. Er schnüffelt herum und entdeckt die Wahrheit.
    Und was tut dieser Mann nun? Nichts. Warum nicht? Natürlich, weil der Typ, den sie umgelegt hat, sowieso ein drittklassiger, mieser Schurke war, der es verdient hat. Zwar für andere Taten, aber das spielt keine Rolle. Hauptsache, er hat es verdient. Ihr Freund versichert ihr also, dass sie gut daran getan hat, den Typen umzulegen.
    Als überzeugter Liberaler war ich der Meinung, das wäre ein großartiges Argument gegen die selbsternannten Schutztruppen und privaten Bürgerwehren und für unser gutes, altes Rechtssystem. Aber nein! Dieses Buch hat unverhohlen die Saison auf Kleinkriminelle und Mistkerle eröffnet. Der Krimi wurde als ganz normaler Gerichtsthriller verkauft, nicht als leidenschaftlicher Aufruf an jeden Kalifornier, doch ruhig eine Person seiner Wahl zu erlegen. Mich stößt so etwas ab. Aber damit scheine ich allein auf weiter Flur.
    Der Schlüsselsatz in Chandlers Essay ist jener vom Helden als »der beste Mann dieser Welt«.
    Dazu müsste man erst die Welt definieren.
    Kehren wir noch einmal zu Mario Puzo zurück, der unsere normale Welt meisterhaft auf den Kopf gestellt hat. Es beginnt schon mit dem Titel. Das Buch heißt nicht Der König des Verbrechens oder Capo die Tutti Capi oder Größter Gangster aller Zeiten , sondern schlicht Der Pate . Bis dahin war die Mafia eine Gruppe gefürchteter Verbrecher in einer geheimen Organisation. Nun ist sie zu einer Familie geworden. Der Roman hat auf dem literarischen Markt eine solche Wirkung gehabt, dass er sogar das Vokabular der Gesetzeshüter im wahren Leben verändert hat. Selbst das FBI bezeichnet solche Gangs und Banden seitdem als »Familien« oder »Clans«.
    Als wir dem Paten zum ersten Mal begegnen und von ihm hören, stehen Leute vor seiner Tür Schlange, um ihn um Gerechtigkeit zu bitten. Polizei, Gericht, Anwälte haben für sie nichts tun können. Diese armen, verzweifelten Menschen brauchen Unterstützung, Hilfe, die Stärke und die moralische Selbstsicherheit des Oberhaupts der bedeutendsten Verbrecherorganisation New Yorks.
    Ich habe das Buch gekauft. Sie nicht auch?

12
    DAS VERFAHREN
    Ich beginne immer wie folgt:
»Ich bin der Ankläger.
Ich vertrete den Staat. Ich bin hier, um Ihnen die Beweise für ein Verbrechen aufzuzeigen. Gemeinsam werden Sie das Material beurteilen. Sie werden gründlich darüber nachdenken. Sie werden entscheiden, ob die Beweislast die Schuld des Angeklagten einwandfrei belegt.
Dieser Mann –« und an dieser Stelle zeige ich auf ihn.
    Aus Mangel an Beweisen , Scott Turow
    Das Verfahren ist in seiner Bedeutung gleichwertig mit Plot und Charakter.
    Der Prototyp des Krimis beginnt ganz einfach: Ein Verbrechen ist begangen worden. Nun muss ermittelt werden.
    »Der Tod muss innerhalb von höchstens zwei, drei Minuten eingetreten sein. Nach der Autopsie wissen wir mehr.«
    Maigret blickte in die starren Augen [der Leiche]. Sie waren hellblau oder besser, wässrig grau. Die Gesichtszüge waren ausgeprägt, insbesondere das kräftige Kinn, das bereits zu erschlaffen begann. Der Transporter der Spurensicherung hielt am Bordstein. Die Techniker stiegen aus und luden ihre Ausrüstung wie eine Film- oder Fernsehtruppe am Drehort aus.
    »Haben Sie die Staatsanwaltschaft angerufen?«
    »Ja. Sie schicken einen Bevollmächtigten und einen Untersuchungsrichter.«
    Maigret und der Weinhändler , George Simenon
    Innerhalb des Krimigenres gibt es eine Untergattung, die sich allein mit dem polizeilichen Verfahren beschäftigt. Früher handelte es sich dabei um ruhige, eher unspektakuläre Geschichten von Polizisten, die offiziell ein Verbrechen aufklären: J.J. Marrics Serie über Scotland Yard ( Sieg, Platz, Tot, Tatort Themse, Attentat auf Denkmaschinen ), Simenons Maigret-Romane oder auch Ed McBains Geschichten über das 87. Revier ( Mordgespenster, Eis, Big Bad City ). Heutzutage sind die Storys etwas hipper und moderner, am Inhalt hat sich aber wenig geändert.
    Patricia Cornwells Heldin Dr. Kay Scarpetta ( Ein Mord für Kay Scarpetta, Herzbube , Das letzte Revier etc.) ist forensische Pathologin, die als Gerichtsmedizinerin für den Staat Virginia arbeitet. Der größte Teil jedes Scarpetta-Romans handelt vom Verfahren: