Crisis
einfach ignorieren sollte, wenn es keinen Querverkehr gab, doch er tat es nicht. Jack hatte kein Problem damit, Regeln zu brechen, die er als lächerlich empfand, aber Ampeln fielen nicht in diese Kategorie.
Auf dem Massachusetts Turnpike war schon einiges mehr los. Es herrschte nicht gerade Hochbetrieb, aber es waren doch deutlich mehr Fahrzeuge unterwegs, als er erwartet hatte, und zwar nicht nur LKWs. Verwundert fragte er sich, was so viele Leute um diese Uhrzeit draußen zu suchen hatten.
Die kurze Fahrt nach Newton gab Jack Gelegenheit, sich zu beruhigen, nach der Aufregung, die Latasha ausgelöst hatte, als sie erklärte, dass sie Zugang zu einem Toxikologen hatte. In entspanntem Geisteszustand war er deutlich realistischer, und er sah, wie das Ganze vermutlich ausgehen würde. Zunächst würde er, da es keinen Beweis für das Gegenteil gab, zu dem Schluss kommen, dass Patience Stanhope höchstwahrscheinlich an einem schweren Herzinfarkt gestorben war, auch wenn es keine sichtbaren pathologischen Befunde gab, die darauf hindeuteten. Und dann würde er folgern, dass höchstwahrscheinlich Fasano und Konsorten aus banalem finanziellem Interesse hinter dem abscheulichen Überfall auf Craigs und Alexis’ Kinder steckten. Fasano hatte seine Motive unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, als er Jack bedrohte.
Bis Jack beim Haus der Bowmans ankam, war er niedergeschlagen. Wieder einmal fragte er sich, ob der Grund dafür, dass er immer noch in Boston war und irgendwelche Verschwörungstheorien aus dem Hut zauberte, nicht mehr mit halb unbewussten Ängsten davor zu tun hatte, dass er in zehn Stunden heiraten sollte, als mit dem Versuch, seiner Schwester und seinem Schwager zu helfen.
Als Jack aus dem Wagen stieg, hielt er den Regenschirm in der Hand, den er geistesgegenwärtig vom Rücksitz genommen hatte. Er hatte neben Craigs Lexus geparkt. Dann ging er zurück zur Straße und blickte nach rechts und links auf der Suche nach dem Streifenwagen, der am Morgen da gestanden hatte. Er war nirgends zu sehen. So viel also zur verstärkten Überwachung. Jack drehte sich wieder zum Haus um und trottete den Vorgartenweg entlang. Allmählich holte ihn die Müdigkeit ein.
Abgesehen von einem schwachen Licht, das durch die Seitenteile der Eingangstür fiel, war das Haus dunkel. Während Jack auf die Stufen vor der Haustür zuging, sah er zu den Gaubenfenstern im ersten Stock hoch. Sie waren tiefschwarz, und darin spiegelte sich das Licht der fernen Straßenlaterne.
Leise steckte er den Schlüssel ins Schloss. Er wollte sich nicht heimlich ins Haus schleichen, aber er zog es doch vor, Craig möglichst nicht aufzuwecken. Da erinnerte er sich plötzlich an die Alarmanlage. Er ließ den Schlüssel im Schloss stecken und versuchte, sich den Code in Erinnerung zu rufen. Da er so müde war, dauerte es eine Minute, bis er ihm wieder einfiel. Nachdem er den Code eingegeben hatte, fragte er sich, ob er noch einen anderen Knopf drücken sollte. Er wusste es nicht. So gut vorbereitet wie möglich, drehte er den Schlüssel um. In der nächtlichen Stille erschien ihm der Mechanismus ungewöhnlich laut.
Von leiser Panik erfüllt, betrat Jack hastig das Haus und warf einen Blick auf das Display der Alarmanlage. Zum Glück hörte er nicht den warnenden Summton, den er befürchtet hatte, aber um ganz sicher zu sein, wartete er noch einen Moment ab. Die Alarmanlage war ausgeschaltet. Ein heller grüner Punkt ließ darauf schließen, dass alles in Ordnung war. Jack schloss leise die Tür. Da vernahm er plötzlich das gedämpfte Geräusch des Fernsehers aus dem Wohnzimmer. Aus der gleichen Richtung fiel auch ein wenig Licht in den dunklen Flur.
Weil er dachte, dass Craig vielleicht noch wach oder möglicherweise auch vor dem Fernseher eingeschlafen war, ging er durch den Flur zum großen Wohn-Ess-Bereich. Kein Craig zu sehen. Der Fernseher über dem Kamin war auf einen Kabel-Nachrichtensender eingestellt, und in diesem Teil des Raums war das Licht eingeschaltet, wohingegen die Küche und der Essbereich im Dunkeln lagen.
Auf dem Couchtisch vor dem Sofa lag die Fernbedienung neben Craigs fast leerer Scotch-Flasche und einem altmodischen Glas. Die Macht der Gewohnheit ließ Jack den Fernseher ausschalten. Dann ging er zurück in die Diele. Er blickte die Treppe hinauf ins Dunkel und dann den Flur entlang zum Arbeitszimmer. Durch das Erkerfenster des Arbeitszimmers fiel ein wenig Licht von der Straßenlaterne herein.
Jack überlegte, was er
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