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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Physik
Beherrschtes. Wie die Sonne und der Himmel und die Befestigungsmauer, waren
die Akkus für ihn einfach da. Sie
tranken den Saft von den Turbinen und gaben ihn an die Scheinwerfer weiter, und
wenn da etwas schiefging, verdammt, dann brachten Michael und Elton es wieder
in Ordnung. Stimmt's nicht?, hatte Theo gesagt. Dieses Problem, das könnt ihr
doch beheben? So war es eine Weile hin und her gegangen, bis Michael entnervt
geseufzt und Klartext geredet hatte. Und jedes Wort, das er sagte, hatte exakt
eine Silbe.
    Theo, du hörst nicht zu. Du hörst nicht, was ich
sage. Das. Licht. Geht. Aus.
    Sie saßen auf der Veranda des kleinen, eingeschossigen
Holzhauses, das Michael mit Sara teilte. Sie war über den Nachmittag irgendwo
unterwegs, hütete die Herde, maß das Fieber bei den Patienten im Krankenrevier
oder besuchte Onkel Walt, um dafür zu sorgen, dass er vernünftig aß und sich
wusch - mit anderen Worten, sie trieb sich rastlos herum, wie sie es immer tat.
Es war spät am Nachmittag. Das Haus stand am Rande der stoppeligen Wiese, auf
der sie das Pferd grasen ließen; aber die trockenen Tage des Sommers hatten
diesmal schon früh eingesetzt, und die Wiese hatte die Farbe einer Brotkruste
und war an manchen Stellen bis auf den Boden verdorrt. Auf den kahlen Flecken
wehte der Staub in kleinen Wölkchen auf, wenn man darüber hinwegging. Alle
kannten dieses Haus als das Haus der Fishers.
    »Aus«, wiederholte Theo. »Das Licht.«
    Michael nickte. »Aus.«
    »In zwei Jahren, sagst du.«
    Michael sah Theo aufmerksam an und beobachtete,
wie diese Mitteilung allmählich zu ihm durchdrang. »Es könnte noch länger
dauern, aber das glaube ich nicht. Könnte auch schneller gehen.«
    »Und du kannst nichts dagegen tun.«
    »Das kann niemand.«
    Theo atmete jäh aus, als habe er einen Schlag in
die Magengrube bekommen. »Okay, kapiert.« Er schüttelte den Kopf. »Ich hab's
kapiert. Wem hast du es sonst noch erzählt?«
    »Niemandem.« Michael hob die Schultern. »Nur
dir.«
    Theo stand auf und trat an den Rand der Veranda.
Eine Zeitlang schwiegen sie beide.
    »Wir werden wegziehen müssen«, sagte Michael.
»Oder wir brauchen eine neue Stromquelle.«
    Theo schaute über die Wiese hinaus. »Und was schlägst
du vor? Wie sollen wir das tun?«
    »Ich schlage gar nichts vor. Ich konstatiere
eine Tatsache. Wenn die Leistung der Speicher unter zwanzig Prozent sinkt ...«
    »Ich weiß, ich weiß, das war's, kein Licht mehr.
Das hast du schon gesagt.«
    »Was sollen wir tun?«
    Theo lachte verzweifelt. »Woher zum Teufel soll
ich das wissen?«
    »Ich meine, sollen wir es den Leuten sagen?«
Michael zögerte und schaute seinen Freund forschend an. »Damit sie, du weißt
schon, sich vorbereiten können.«
    Theo überlegte kurz. Dann schüttelte er den
Kopf. »Nein.«
    Und das war alles. Sie hatten nie wieder darüber
gesprochen. Wann war das gewesen? Vor gut einem Jahr, etwa um die Zeit, als
Maus und Galen geheiratet hatten - die erste Hochzeit nach langer, langer Zeit.
Es war merkwürdig gewesen, alle so glücklich zu sehen, während Michael wusste,
was er wusste. Die Leute waren überrascht gewesen, dass Galen da oben mit
Mausami stand und nicht Theo. Nur Michael wusste, warum - oder er konnte es
sich zumindest denken. Er hatte den Ausdruck in Theos Blick gesehen, an jenem
Nachmittag auf der Veranda. Irgendetwas hatte ihn da verlassen, und für
Michael sah es nicht aus wie etwas, das man zurückbekommen konnte. Jetzt
konnten sie nur noch warten. Warten und lauschen.
     
    Denn das war das Dumme: Das Funkgerät durfte
nicht benutzt werden. Es war verboten. Offensichtlich waren damit zu viele
Leute angelockt worden. Das Funkgerät war es gewesen, was die Walker in den
Anfangstagen in die Kolonie geführt hatte, und für so viele Bewohner war die
Kolonie nicht ausgelegt gewesen. Also hatte man im Jahr 17 - vor fünfundsiebzig
Jahren - entschieden, die Funkantenne vom Berg zu holen, das Gerät zu
zertrümmern und die Einzelteile auf die Müllkippe zu werfen.
    Damals mochte das einleuchtend gewesen sein. Die
Army wusste ja, wo sie zu finden waren, und der Vorrat an Lebensmitteln und
Brennstoff war ebenso begrenzt wie der Platz unter den Scheinwerfern. Aber
jetzt sah die Sache anders aus. Jetzt, da die Akkus so weit heruntergekommen
waren, dass die Lichter bald ausgehen würden. Dunkelheit, Schreie, Tod etc. pp.
    Nicht lange nach seinem Gespräch mit Theo - nur
wenige Tage später, wenn er sich recht erinnerte -, war Michael

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