Cronin, Justin
sie sprang auf das Dach. Caleb stand an der Luke und
fuchtelte mit den Armen. »Hinter euch!«
Alicia kletterte durch die Luke, und Peter
drehte sich um. Ein Viral stand an der Dachkante. Peter riss das Gewehr hoch
und schoss, aber zu spät. Die Bestie war schon verschwunden.
»Vergiss die Smokes!«, rief Alicia von unten.
Er ließ sich einfach durch die Öffnung fallen
und landete auf Caleb, der ächzend unter ihm einknickte. Ein stechender
Schmerz zuckte durch seinen Fußknöchel, und sein Gewehr fiel klappernd zu
Boden. Alicia sprang über sie beide hinweg und streckte sich, um die Luke zu
schließen. Aber etwas drückte von außen dagegen. Alicia verzerrte das Gesicht
vor Anstrengung, und ihre Füße suchten auf der Leitersprosse nach einem Halt.
»Ich ... krieg sie nicht ... zu!«
Peter und Caleb sprangen auf und halfen ihr,
aber der Druck von der anderen Seite war zu stark. Peter hatte sich den Knöchel
verstaucht, fühlte den Schmerz jedoch nur undeutlich. Er sah sich nach seinem
Gewehr um und entdeckte es bei der Treppe.
»Lasst los«, sagte er. »Lasst die Luke
herunterfallen. Anders geht's nicht.«
»Bist du verrückt?« Aber dann sah er ihren Augen
an, dass sie begriff, was er vorhatte. »Gut, mach's.« Sie sah Caleb an, und
der nickte. »Fertig?«
»Eins ... zwei ...«
»Drei!«
Sie ließen die Falltür los. Peter warf sich auf
das Gewehr, riss es herum und stieß die Mündung nach oben durch die Öffnung.
Zum Zielen war keine Zeit, aber er hoffte, dass es gar nicht nötig wäre.
Und das war es auch nicht. Der Lauf fuhr
geradewegs in den offenen Mund des Virais, glitt wie ein Speer vorbei an den
Reihen glänzender Zähne bis an den knochigen Grat über dem Schlund. Peter sah
ihm in die Augen und dachte: Halt still. Mit
einem letzten, harten Stoß rammte er die Mündung hinein, und dann jagte er
Zander Phillips eine Kugel ins Hirn.
21
Es gab einen gewaltigen Unterschied zwischen der
Welt, wie sie heute war, und der Welt in der Zeit Davor, dachte Michael Fisher,
und das waren nicht die Virais. Es war die Elektrizität.
Die Virais waren ein Problem, natürlich -
ungefähr zweiundvierzigeinhalb Millionen Probleme,
wenn die alten Unterlagen im Großen Geräteschuppen hinter dem Lichthaus recht
hatten.
Die komplette Geschichte der Epidemie hatte
Michael dort nachlesen können. CV1-CV13 Aktueller
Bericht über die Verbreitung von Infektionskrankenkeiten in den USA, Zentrum
für Seuchenkontrolle und -prävention, Atlanta, GA. Umsiedlungsprotokolle:
Urbane Zentren, Zonen 6-1, Katastrophenschutzbehörde
FEMA, Washington, D. C. Die Wirksamkeit der
Postexpositionsprophylaxe gegen viral bedingtes hämorrhagisches Fieber bei
nicht-menschlichen Primaten, Medizinisches
Forschungsinstitut der U.S. Army für Infektionskrankheiten, Fort Detrick,
Maryland. Und so weiter. Manches verstand er, manches nicht, aber überall
stand im Grunde das Gleiche. Einer von zehn. Ein Befallener auf neun, die
starben. Wenn man also von einer Bevölkerung von 500 Millionen zum Zeitpunkt
des Ausbruchs ausging - die USA, Kanada und Mexiko zusammengenommen -, dann
blieben immer noch 42,5 Millionen dieser blutgierigen Bestien zwischen der
Landenge von Panama und der Beringstraße, die alles verschlangen, was
Hämoglobin in den Adern und eine Wärmesignatur zwischen 36 und 38 Grad
aufzuweisen hatte - mit anderen Worten, 99,96 Prozent des Säugetierreichs von
der Wühlmaus bis zum Grizzlybären.
Also ja, okay. Ein Problem.
Aber gebt mir nur genug elektrischen Strom,
dachte Michael, und ich könnte die Virais für immer und ewig fernhalten.
Die Zeit Davor: Manchmal zitterte er, wenn er
nur daran dachte, an diese ungeheure, vibrierende, von Menschen gemachte
elektrische Fülle. An die Millionen Meilen von Draht, an die Milliarden Ampere,
die darin flossen. Die gewaltigen Kraftwerke, die aus der gespeicherten Energie
des Planeten jenes ewige Ja schufen, mit dem jedes einzelne Ampere durch die
Leitung schoss: Ja? Ja? Ja?
Und die Maschinen. Die wunderbaren, summenden,
leuchtenden Maschinen. Nicht nur Computer, Blu-rays und BlackBerrys - sie
hatten Dutzende davon, im Laufe der Jahre zusammengesucht bei ihren Expeditionen
ins Tal und dann im Geräteschuppen verstaut -, sondern auch einfache,
alltägliche Dinge wie Haartrockner, Mikrowellen, Glühlampen, alles verdrahtet
und angeschlossen und verbunden mit dem Stromnetz.
Manchmal war es, als sei der Strom immer noch da
draußen und warte auf ihn. Warte darauf, dass Michael
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