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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Hand. »Ich bin
bestens versorgt.«
    Michael und seine Schwester traten hinaus ins
Scheinwerferlicht. Nach so vielen Stunden in der halbdunklen Baracke musste
Michael auf der Schwelle stehen bleiben und im grellen Licht blinzeln. Sie gingen
am Lager vorbei Richtung Pferch. Die Luft war schwer vom Geruch frischen Dungs.
Er hörte das Blöken der Schafe, und als sie weitergingen, wieherten die
Pferde. Hinter der Weide, gleich bei der Südmauer, sah Michael die Läufer, die
auf der Mauer hin und her liefen, dunkle Silhouetten im Licht der Scheinwerfer.
Er sah, dass Sara sie auch beobachtete; ihr Blick war abwesend und
nachdenklich, und Lichtreflexe glänzten in ihren Augen.
    »Keine Sorge«, sagte er. »Denen passiert
nichts.«
    Seine Schwester antwortete nicht. Vielleicht
hatte sie ihn nicht gehört. Schweigend gingen sie nach Hause. Sara wusch sich
an der Pumpe in der Küche, während Michael die Kerzen anzündete. Dann ging sie
hinaus auf die hintere Veranda, und als sie gleich darauf wieder hereinkam,
schwenkte sie einen stattlichen Hasen an den Ohren.
    »Meine Güte!«, rief Michael. »Wo hast du den
denn her?«
    Saras Stimmung hatte sich aufgehellt, und sie
lächelte stolz. Michael sah die Wunde am Hals des Tieres, wo Saras Pfeil es
aufgespießt hatte.
    »Von der Oberen Weide. Ich bin einfach so
dahergeritten, und da war er, mitten auf dem Feld.«
    Wie lange war es her, dass er einen Hasen
gegessen hatte? Seit überhaupt irgendjemand einen Hasen gesehen hatte? Die meisten Wildtiere waren längst verschwunden,
abgesehen von den Eichhörnchen, die sich anscheinend schneller vermehrten, als
die Virais sie töten konnten, und den kleinen Vögeln, den Spatzen und
Zaunkönigen, die sie entweder nicht fangen wollten oder nicht fangen konnten.
    »Willst du ihn ausnehmen?«, fragte Sara.
    »Ich bin nicht mal sicher, ob ich noch weiß, wie
das geht«, sagte Michael.
    Ungeduldig zog Sara das Messer aus dem Gürtel.
»Dann mach dich nützlich und zünde den Ofen an.«
    Sie machten ein Ragout aus dem Hasen, mit Möhren
und Kartoffeln aus der Kiste im Keller, und die Sauce verdickten sie mit
Maismehl. Sara behauptete, sie erinnere sich an das Rezept ihres Vaters, aber
Michael sah, dass sie improvisierte. Es machte nichts. Schon bald stieg der
köstliche Duft von geschmortem Fleisch über dem Herd auf und erfüllte das Haus
mit einer behaglichen Wärme, die Michael schon lange nicht mehr verspürt hatte.
Sara war mit dem abgezogenen Hasenfell hinter das Haus gegangen, um es
abzuschaben, und Michael behielt den Topf im Auge und wartete auf ihre
Rückkehr. Er hatte den Tisch gedeckt, als sie wieder hereinkam und sich die
Hände mit einem Lappen abwischte.
    »Ich weiß, dass du nicht auf mich hören wirst«,
sagte sie. »Aber du und Elton, ihr solltet vorsichtig sein.«
    Sara wusste über das Funkgerät Bescheid. Sie
ging ständig im Lichthaus aus und ein, und da hatte sie es unmöglich übersehen
können. Aber alles andere hatte er ihr nicht erzählt.
    »Das ist nur ein Empfänger, Sara. Wir senden
nichts.«
    »Was wollt ihr denn da eigentlich auffangen?«
    Achselzuckend setzte er sich an den Tisch. Er
wollte dieses Gespräch so schnell wie möglich abwürgen. Was sollte er sagen? Er
suchte die Army. Aber die Army gab es nicht mehr. Alle waren tot, und die Lichter
gingen aus.
    »Hauptsächlich hören wir Rauschen.«
    Sie schaute ihn durchdringend an. Die Hände in
die Hüften gestemmt, lehnte sie an der Spüle und wartete ab. Als Michael nichts
weiter sagte, schüttelte sie seufzend den Kopf.
    »Na, lasst euch bloß nicht erwischen.«
    Sie aßen schweigend am Küchentisch. Das Fleisch
war ein bisschen zäh, aber es schmeckte so gut, dass Michael beim Kauen beinahe
stöhnte. Als sie mit dem Essen fertig waren, war es kurz vor Halbnacht. Normalerweise
ging er erst nach Tagesanbruch ins Bett, aber jetzt hätte er den Kopf auf die
Arme legen und auf der Stelle einschlafen können. Es lag etwas Vertrautes darin
- nicht nur vertraut, sondern auch ein bisschen traurig -, wie sie hier am
Tisch saßen und Hasenragout aßen. Nur sie beide.
    Er hob den Kopf und merkte, dass Sara ihn
anschaute. »Ich weiß«, sagte sie. »Ich vermisse sie auch.«
    Da wollte er es ihr erzählen. Alles über die
Akkus und das Logbuch, über ihren Vater und das, was er gewusst hatte. Er
brauchte noch einen Menschen, der die Last dieses Wissens mit ihm trug. Aber er
wusste, dass es ein selbstsüchtiges Verlangen war, dem er nicht nachgeben
durfte.
    Sara stand auf

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