Cronin, Justin
und trug die Schüsseln zur
Wasserpumpe. Als sie abgewaschen hatte, gab sie den Rest des Ragouts in einen
Tontopf und wickelte ein dickes Tuch darum, um es warm zu halten.
»Willst du es Walt bringen?«, fragte Michael.
Walter war der ältere Bruder ihres Vaters. Als
Lagerverwalter war er verantwortlich für das Gemeingut, er gehörte dem Komitee
der Gewerbe und - als ältester lebender Fisher - dem Haushalt an. Diese
dreifache Verantwortung machte ihn zu einem der mächtigsten Bürger der Kolonie
nach Soo Ramirez und Sanjay Patal. Aber er war auch Witwer und lebte allein.
Seine Frau Jean war in der Dunklen Nacht gestorben. Er trank gern zu viel von seinem Selbstgebrannten Schnaps und vergaß oft das Essen. Wenn er nicht im Lagerhaus
war, werkelte er meistens an der Destille im Schuppen hinter seinem Haus herum
oder schlief irgendwo drinnen seinen Rausch aus.
Sara schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Walt
könnte ich im Moment nicht ertragen. Ich bringe es Elton.«
Michael schaute sie prüfend an. Er wusste, dass
sie wieder an Peter dachte. »Du solltest dich ein bisschen ausruhen. Ich bin
sicher, es geht ihnen gut.«
»Sie sind überfällig.«
»Nur einen Tag. Das kommt schon mal vor.«
Seine Schwester antwortete nicht. Schrecklich,
dachte Michael, was die Liebe mit einem Menschen machen konnte. Er sah keinen
Sinn darin.
»Lish ist doch bei ihnen. Ich bin sicher, da
passiert nichts.«
Sara runzelte die Stirn und schaute weg. »Wegen
Lish mache ich mir ja Sorgen.«
Als Erstes ging sie zur Zuflucht, wie sie es oft
tat, wenn sie nicht schlafen konnte. Wenn sie die Kinder anschaute,
wohlbehalten in ihren Betten - sie wusste nicht, ob sie sich dann besser oder
schlechter fühlte. Aber wenigstens fühlte sie
etwas außer dem hohlen Schmerz der Sorge.
Sie erinnerte sich gern an ihre eigene Zeit
dort. Es war eine sichere, ja sogar glückliche Welt gewesen, und sie hatte
keine anderen Sorgen gehabt als die Frage, wann ihre Eltern zu Besuch kommen
würden, ob die Lehrerin heute gute Laune hatte oder nicht, und wer mit wem
befreundet war. Die meiste Zeit war es ihr nicht seltsam vorgekommen, dass sie
und ihr Bruder in der Zuflucht wohnten und ihre Eltern woanders, denn sie hatte
kein anderes Leben gekannt, und abends, wenn ihr Vater, ihre Mutter oder beide
vorbeischauten, um ihnen gute Nacht zu sagen, war sie nie auf die Idee
gekommen, sie zu fragen, wohin sie nach diesem Besuch gingen. Wir
müssen jetzt los, sagten sie nur, wenn die Lehrerin
verkündete, die Zeit sei um, und dieses eine Wort, gehen, umfasste die ganze Situation für Sara und wahrscheinlich
auch für Michael: Eltern kamen, blieben ein Weilchen, und dann mussten sie
gehen. Viele ihrer schönsten Erinnerungen an die Eltern drehten sich um diese
kurzen Besuche zur Schlafenszeit, wenn sie ihnen noch eine Geschichte vorlasen
oder sie einfach nur zudeckten.
Und dann eines Abends hatte sie alles kaputt
gemacht, ganz unabsichtlich. Wo schlaft ihr?, hatte
sie ihre Mutter gefragt, als sie gerade gehen wollte. Wenn
ihr nicht hier bei uns schlaft, wo geht ihr dann hin? Als
sie diese Frage stellte, schien sich in den Augen ihrer Mutter irgendetwas
herabzusenken - wie ein Rouleau, das vor ein Fenster fiel. Oh, sagte ihre
Mutter nur. Sara sah, dass ihr klägliches Lächeln falsch war. Ich
schlafe eigentlich nicht. Schlafen ist etwas für dich, kleine Sara, und für
deinen Bruder Michael. Und als sie den
Gesichtsausdruck ihrer Mutter bei diesen Worten sah, hatte sie, wie sie heute
glaubte, zum ersten Mal einen kurzen Blick auf die furchtbare Wahrheit
geworfen.
Es stimmte, was alle sagten: Man hasste die
Lehrerin, wenn sie es offenbarte. Wie hatte Sara sie geliebt, bis zu diesem
Tag. So sehr wie ihre Eltern, vielleicht noch mehr. Ihr achter Geburtstag: Sie
hatte gewusst, dass etwas passieren würde, etwas Wunderbares. Dass die Kinder,
die acht Jahre alt wurden, an einen ganz besonderen Ort gingen. Aber Genaueres
hatte sie nicht gewusst. Diejenigen, die später zurückkehrten, um ein jüngeres
Geschwister zu besuchen, oder weil sie selbst Kinder hatten, waren älter, und
es war so viel Zeit vergangen, dass sie zu ganz anderen Menschen geworden
waren. Wo sie inzwischen gewesen waren und was sie getan hatten, war ein
Geheimnis. Und gerade weil es
geheim war, war dieser neue Ort, der sie alle da draußen außerhalb der Zuflucht
erwartete, etwas so Besonderes. Ein Kribbeln erfüllte sie, als ihr Geburtstag
heranrückte, und vor lauter Aufregung fragte sie sich nie,
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