Cronin, Justin
gratulieren?«
Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. Ihre
Nase lief, aber er hatte kein Taschentuch, das er ihr hätte anbieten können.
»Danke.«
»Weiß Galen, dass du hier draußen bist?«
Sie lachte freudlos. »Nein, Galen weiß es
nicht.«
Das ließ ihn vermuten, dass es nicht nur eine
Laune war, was sie bedrückte. Sie war wegen Theo zu dem Stein gekommen, und sie
weinte um ihn.
»Ich dachte nur ...« Aber er fand nicht die
richtigen Worte. »Ich weiß es nicht.« Er zuckte die Achseln. »Es tut mir leid.
Wir waren auch Freunde.«
Zu seiner Überraschung griff Mausami nach seiner
Hand auf seinem Knie und schob ihre Finger zwischen die seinen. »Danke,
Michael. Die Leute unterschätzen dich, glaube ich. Du hast genau das Richtige
gesagt.«
Eine Zeitlang saßen sie schweigend da. Mausami
nahm ihre Hand nicht weg, sondern ließ sie, wo sie war. Es war merkwürdig: Erst
in diesem Augenblick begriff Michael wirklich, dass Theo nicht mehr da war. Er
war traurig, aber nicht nur das. Er fühlte sich allein. Er wollte etwas sagen,
um dieses Gefühl in Worte zu fasen, doch bevor er es tun konnte, erschienen
zwei Gestalten am anderen Ende des Platzes und kamen zielstrebig auf sie zu.
Galen, und hinter ihm Sanjay.
»Hör zu«, sagte Mausami, »nimm dir Lish mit
ihrem Quatsch nicht allzu sehr zu Herzen. Sie ist einfach so. Sie wird auch
wieder vernünftig.«
Lish? Wieso redete sie von Lish? Aber er hatte
keine Zeit, darüber nachzudenken, denn Galen und Sanjay standen jetzt vor
ihnen. Galen war verschwitzt und außer Atem, als sei er eine Runde um die Kolonie
gelaufen. Und was Sanjay anging - der verwirrte Schlafwandler, der sich zwei
Nächte zuvor ins Lichthaus verirrt hatte, war nicht mehr zu sehen. An seiner
Stelle stand die stirnrunzelnde Verkörperung väterlicher Selbstgerechtigkeit.
»Was denkst du dir eigentlich?« Galen kniff
erbost die Augen zusammen, als könne er sie so besser erkennen. »Du sollst die
Zuflucht nicht verlassen, Maus. Du sollst es
nicht.«
»Mir fehlt nichts, Galen.« Sie brachte ihn mit
einer Handbewegung zum Schweigen. »Geh nach Hause.«
Sanjay drängte sich nach vorn, sodass er die
beiden überragte, eine herrische Erscheinung, lichtumflossen, als bringe
väterliche Enttäuschung seine Haut zum Leuchten. Er warf nur einen kurzen
Blick auf Michael herunter und tat seine Anwesenheit mit einem kurzen Kräuseln
der buschigen Brauen ab.
»Mausami. Ich hatte Geduld mit dir, aber damit
hat es jetzt ein Ende. Ich verstehe nicht, warum du dich so widerspenstig
aufführen musst. Du weißt, wo du sein sollst.«
»Ich bleibe hier bei Michael. Wer etwas dagegen
hat, bekommt es mit ihm zu tun.«
Michaels Magen krampfte sich zusammen. »Hört zu
...«
»Du hältst dich da raus, Akku«, fauchte Galen.
»Aber da wir schon mal dabei sind, was treibst du eigentlich hier draußen mit
meiner Frau?«
»Was ich treibe?«
»Ja. War das deine Idee?«
»Mein Gott, Galen.« Mausami stöhnte. »Weißt du
eigentlich, wie du dich anhörst? Nein, es war nicht Michaels Idee.«
Michael merkte, dass ihn alle ansahen. Dass er
unversehens in diese Szene geraten war, obwohl er doch nur ein bisschen
Gesellschaft und frische Luft gesucht hatte, war eine grausame Fügung des
Schicksals. Galens Gesicht glühte vor Demütigung, und Michael fragte sich, ob
der Mann womöglich fähig war, ihm tatsächlich etwas anzutun. Galen wirkte
leicht einfältig; es sah immer so aus, als hinke seine Aufmerksamkeit einen
Schritt hinter den Ereignissen her. Aber Michael machte sich nichts vor: Der
Kerl war gut dreißig Pfund schwerer als er. Außerdem - und darauf kam es an -
glaubte Galen in diesem Augenblick bestimmt, dass er so etwas wie seine Ehre zu
verteidigen hatte. Michaels Erfahrungen mit Kämpfen unter Männern beschränkten
sich auf ein paar Raufereien in der Zuflucht, bei denen es um wenig gegangen
war, aber er wusste, dass man mit dem Herzen dabei sein sollte. Und das war er
ganz sicher nicht. Wenn es Galen tatsächlich gelänge, einen Schlag zu landen,
hätte Michael schlechte Karten.
»Hör zu, Galen«, begann er noch einmal. »Ich
habe nur einen Spaziergang gemacht...«
Aber Mausami ließ ihn nicht ausreden. »Es ist
schon gut, Michael. Er weiß das.«
Sie wandte ihm das Gesicht zu. Ihre Augen waren
verheult. »Wir haben alle eine Aufgabe zu erfüllen, nicht wahr?« Sie nahm
seine Hand und drückte sie, als wolle sie eine Abmachung besiegeln. »Meine
besteht anscheinend darin, zu tun, was man mir sagt,
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