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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Das Kind
hatte noch keinen Namen gehabt, den man hätte aufschreiben können, und so war
sein kurzer Aufenthalt auf Erden hier gar nicht verzeichnet worden.
    »Wenn du willst, kann ich es übernehmen, Theos
Namen einzumeißeln.«
    Peter fuhr herum und sah Caleb. Der Junge trug
immer noch die knallgelben Sneaker. Sie sahen viel zu groß aus; der Anblick
erinnerte an die Schwimmfüße einer Ente. Als Peter sie sah, empfand er leise
Gewissensbisse. Calebs riesige, lächerliche Schuhe: Sie waren ein Hinweis -
eigentlich der einzige Hinweis - auf das, was in der Mall passiert war. Aber
irgendwie wusste Peter auch, dass Theo nur einen Blick auf Calebs Sneaker
geworfen und dann gelacht hätte. Er hätte den Witz verstanden, bevor Peter
auch nur begriffen hätte, dass es ein Witz war.
    »Hast du Zanders Namen draufgeschrieben?«
    Caleb zuckte nur die Schultern. »Ich kann
ziemlich gut mit dem Meißel umgehen. Ist ja niemand sonst da, der sich darum
kümmert, nehme ich an. Er hätte versuchen sollen, ein paar Freunde zu finden.«
Der Junge schwieg und warf über Peters Schulter hinweg einen Blick auf den
Stein. Er sah plötzlich traurig aus. »Gut, dass du ihn erschossen hast. Zander
hat die Virais wirklich gehasst. Befallen zu werden, war für ihn das Schlimmste
auf der Welt. Ich bin froh, dass er nicht lange zu denen gehören musste.«
    In diesem Augenblick stand Peters Entschluss
fest. Er würde Theos Namen nicht in den Stein meißeln, und auch niemand anders
würde es tun. Nicht solange er nicht sicher war.
    »Wo schläfst du jetzt?«, fragte er Caleb. »In
der Kaserne. Wo sonst?«
    Peter hob die Schulter mit seinem Rucksack. »Was
dagegen, wenn ich mitkomme?«
    »Ist dein Bier.«
    Erst später, als Peter seine Sachen ausgepackt
und sich endlich auf die durchgelegene, viel zu weiche Matratze gelegt hatte,
wurde ihm klar, was Caleb angeschaut hatte, als er an ihm vorbei auf den Stein
geblickt hatte. Nicht Zanders Namen, sondern drei andere, die darüber standen:
Richard und Marilyn Jones und darunter Nancy Jones, Calebs große Schwester.
Sein Vater, ein Schrauber, war in den ersten panischen Stunden der Dunklen
Nacht von einem Lichtmast zu Tode gestürzt, und seine Mutter und seine
Schwester waren in der Zuflucht gestorben, verschüttet unter dem eingestürzten
Dach. Caleb war gerade ein paar Wochen alt gewesen.
    Und jetzt begriff er, warum Alicia mit ihm auf
das Dach des Kraftwerks gestiegen war. Es hatte nichts mit den Sternen zu tun.
Caleb Jones war ein Waise der Dunklen Nacht, genau wie sie. Und niemand außer
ihr würde für ihn da sein.
    Sie war mit Peter auf das Dach gestiegen, um auf
Caleb Jones zu warten.
     
    25
     
    Michael Fisher, Erster Ingenieur für Licht und
Strom, saß im Lichthaus und lauschte einem Geist.
    So nannte er es: das Geistersignal. Am oberen
Rand des hörbaren Spektrums blitzte es aus dem Nebel des Rauschens hervor - wo,
soweit er wusste, eigentlich nichts sein durfte. Das Fragment eines Fragments,
da und doch nicht da. Das Funkerhandbuch, das er im Lagerschuppen gefunden
hatte, verzeichnete diese Frequenz als »nicht zugewiesen«.
    »Das hätte ich dir auch sagen können«,
behauptete Elton.
    Drei Tage nachdem die Nachschubabteilung vom
Kraftwerk zurückgekommen war, hatten sie es zum ersten Mal gehört. Michael
konnte immer noch nicht glauben, dass Theo verschwunden sein sollte. Ausgerechnet
Theo Jaxon. Alicia hatte ihm versichert, es sei nicht seine Schuld, und die
Sache mit dem Motherboard habe nichts damit zu tun. Aber Michael fühlte sich
trotzdem mitverantwortlich und sah sich als Glied in einer Kette von
Ereignissen, die seinem Freund das Leben gekostet hatten. Und das Motherboard
- das war das Allerschlimmste, das hatte er ganz vergessen. Er brauchte es gar
nicht mehr. Einen Tag nachdem der Trupp die Kolonie verlassen hatte, war es ihm
gelungen, das Teil, das er brauchte, aus einer alten Flusssteuerung auszubauen.
Es war kein Pion-Prozessor, aber die zusätzliche Rechenleistung genügte, um
jedes Signal aus dem oberen Ende des Spektrums herauszuquetschen.
    Und selbst wenn es anders gewesen wäre - was war
schon ein Prozessor? Nichts, wofür Theo hätte sterben dürfen.
    Aber dieses Signal. 1432 MHz. Leise wie ein
Flüstern, aber es sagte etwas.
Es wollte etwas von ihm, aber immer wenn er genauer hinhörte, schien es
davonzuhuschen. Es war digital, eine gleichförmig wiederkehrende Zeichenfolge,
und es kam und ging auf rätselhafte Weise. So hatte es jedenfalls ausgesehen,
bis er

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