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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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und wie der Kopf eines fallenden
Hammers nach unten schoss.
     
    Leon lag mit dem Gesicht nach unten hinter der
Baracke. Verdammt, dachte er. Wo war diese Frau geblieben?
    Er hatte einen Knebel im Mund, und seine Hände
waren auf dem Rücken gefesselt. Das war der Große gewesen, Hollis - jetzt
erinnerte Leon sich. Hollis war aus dem Nichts aufgetaucht und hatte mit irgendetwas
ausgeholt, und jetzt lag Leon allein im Dunkeln und konnte sich nicht rühren.
    Seine Nase war verstopft von Rotz und Blut.
Wahrscheinlich hatte der Scheißkerl sie ihm gebrochen. Das hatte ihm gerade
noch gefehlt - ein gebrochenes Nasenbein. Anscheinend waren auch ein oder zwei
Zähne ausgeschlagen, aber mit diesem Lappen im Maul, der seine Zunge nach
hinten drückte, konnte er es nicht genau feststellen.
    Es war so verdammt dunkel, dass er keine drei
Handbreit weit sehen konnte. Irgendwo stank es nach Müll. Dauernd warfen die
Leute ihren Abfall hinter die Häuser, statt ihn auf die Müllkippe zu bringen.
Wie oft hatte er gehört, wie Jude ihnen sagte: Bringt euren verschissenen Müll
auf die Kippe. Was sind wir, Schweine? Irgendwie auch ein Witz, denn sie waren
keine Schweine, aber was war eigentlich der Unterschied? Jude machte immer
solche Witze, um zu sehen, wie die Leute sich wanden. Eine Zeitlang hatten sie
Schweine gehalten - Babcock mochte Schweine fast so gern wie Rinder -, doch in
einem Winter waren sie alle an irgendeiner Seuche eingegangen. Vielleicht
hatten sie auch bloß gesehen, was auf sie zukam, und sich gedacht, was soll's,
da legen wir uns lieber gleich in den Schlamm und krepieren.
    Niemand würde ihn suchen kommen, das stand fest.
Das Problem, wie er jetzt aufstehen sollte, musste er allein lösen. Vielleicht
würde es gehen, indem er die Knie an die Brust zog. Es tat gemein weh in den
Schultern, weil sie so sehr nach hinten verdreht waren, und außerdem drückte
sich dabei sein Gesicht mit der gebrochenen Nase in den Dreck. Vor Schmerzen
japste er durch den Knebel, und als er es geschafft hatte, war ihm schwindlig,
und er keuchte und schwitzte am ganzen Leib. Er hob den Kopf, und wieder
brannte der Schmerz in seinen Schultern - fuck, was hatte der Kerl sich gedacht, ihm die Hände so stramm zu
fesseln? Dann saß er aufrecht auf den Fersen, die Knie eingeknickt, und erst
jetzt begriff er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er konnte nicht
aufstehen. Irgendwie hatte er gedacht, er könnte sich mit den Zehen abstoßen
und auf diese Weise aufspringen. Aber wenn er das versuchte, würde er nur wieder
nach vorne kippen. Er hätte zur Wand rutschen und versuchen sollen, sich daran
hochzuschieben. Jetzt saß er fest; seine Beine klemmten schmerzhaft unter ihm,
und er hockte unbeweglich da wie ein Riesenblödmann.
    Er versuchte um Hilfe zu rufen - nichts
Ausgefallenes, nur ein »Hey!«, aber stattdessen kam nichts als ein ersticktes Aaaaa, und er musste husten. Schon spürte er, dass das Blut in
seinen Beinen stockte. Eine prickelnde Taubheit kroch von seinen Zehen nach
oben wie ein Zug Ameisen.
    Da draußen bewegte sich etwas.
    Er konnte zwischen zwei Baracken hindurchsehen.
Dahinter lag der Platz, ein schwarzes Gelände, nachdem das Feuer in der Tonne
ausgegangen war. Er spähte in die Finsternis. Vielleicht war es Hap, der ihn
suchte. Na, wer immer es war, er konnte nichts erkennen, verdammt.
Wahrscheinlich war es eine Sinnestäuschung. So allein hier draußen bei Neumond
- da musste jeder ein bisschen nervös werden.
    Nein. Da bewegte sich
wirklich etwas. Leon spürte es wieder, im Boden, durch die Knie.
    Ein Schatten strich über ihn hinweg. Schnell hob
er den Kopf, doch er sah nur Sterne in einem Himmel, schwarz wie Wasser. Das
Gefühl an seinen Knien wurde stärker, ein rhythmisches Vibrieren wie das
Flattern von tausend Flügeln. Was zum Teufel ... ?
    Eine Gestalt erschien zwischen den Baracken.
Hap.
    Aaaaaaa, kam es durch den Knebel. Aaaaaaa. Aber Hap schien nichts
zu hören. Er blieb kurz stehen, rang keuchend nach Atem und rannte dann weiter.
    Dann sah er, wovor Hap wegrannte.
    Leons Blase entleerte sich, und dann sein Darm.
Aber sein Kopf registrierte nichts davon. Ein unendliches, schwereloses Grauen
löschte alles aus.
     
    Das Ende des Laufstegs krachte mit einem
heftigen Ruck auf den Boden. Peter konnte sich mit Müh und Not am Geländer
festklammern. Etwas flog an ihm vorbei, überschlug sich und landete dann
irgendwo weiter unten: der Granatwerfer. Eine spiralförmige Rauchfahne wehte
aus dem Rohr wie ein

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