Cronin, Justin
vor sich, einen Stahlrost
im Boden des Belüftungsrohrs. Er schob das Gesicht darüber und schaute nach
unten. Unter dem Rost sah er den Laufsteg und zwanzig Meter tiefer den Boden
des Rings, umgeben von brennendem Öl.
Der Boden war voller Blut.
Auf den Bal
+konen hatte der Sprechchor wieder eingesetzt. Ring!
Ring! Ring! Ring! Nach Peters Schätzung waren sie jetzt
über der Ostseite des Hofs. Um die Treppe nach unten zu erreichen, würden sie
für alle sichtbar über einen der Laufstege rennen müssen. Er warf einen Blick
zurück zu Hollis, und als dieser nickte, hob er den Rost hoch und schob ihn zur
Seite. Dann entsicherte er seine Pistole und zog sich in der engen Röhre noch
ein Stück weiter, bis seine Füße über der Öffnung waren.
Amy, dachte er, was
da unten vorgeht, ist nichts Gutes. Tu etwas, oder wir sind alle tot. Er
ließ sich nach unten fallen.
Und fiel und fiel. Die Entfernung bis zu dem
Steg darunter war größer, als er gedacht hatte - nicht zwei Meter, sondern
vier oder fünf, und er landete so hart auf dem stählernen Übergang, dass seine
Zähne zusammenschlugen. Er rollte zur Seite. Die Pistole war weg, sie war
seinen Fingern entglitten. Und während er noch rollte, sah er aus den Augenwinkeln
eine Gestalt dort unten. Die Hände waren gefesselt, der Kopf hing schlaff und
resigniert herunter, und der Mann trug ein ärmelloses Hemd, das Peter erkannte.
Das Bild brannte sich in seinen Kopf und verband sich mit einer Erinnerung: der
Rauchgeruch des Scheiterhaufens an dem Tag, als sie Zander Phillips Leiche
verbrannt hatten, draußen in der Sonne vor dem Kraftwerk. Ein Name, der auf
die Brusttasche gestickt war. Armando.
Theo.
Der Mann im Ring war Theo.
Peters Bruder war nicht allein. Neben ihm lag
ein zweiter Mann auf den Knien. Sein Oberkörper war nackt, und er beugte sich
nach vorn, sodass sein Gesicht nicht zu erkennen war. Peter sah, dass es die
Rinder waren, die da im Ring auf dem Boden lagen. Besser gesagt, es war das,
was von ihnen übrig war: Sie lagen in Fetzen gerissen überall zerstreut, als
wären sie mitten in eine Explosion geraten. Mitten in diesem Haufen von
blutigem Fleisch und Knochen, das Gesicht darin vergraben, der Körper zuckend
in zustoßenden Bewegungen, trank ein Viral - aber ein Viral, der anders war als
alle, die Peter bisher gesehen hatte. Es war der größte, dem er oder sonst
jemand je begegnet war. Seine gekrümmte Gestalt war so riesenhaft, dass er
aussah wie ein ganz neuartiges Geschöpf.
»Peter! Du kommst gerade rechtzeitig, um die
Show zu erleben!«
Er war auf dem Rücken gelandet und lag da wie
eine hilflose Schildkröte. Jude ragte über ihm auf, und mit einem
unbeschreiblichen Gesichtsausdruck, einer dunklen Lust, für die es keinen
Namen gab, richtete er eine Flinte auf Peters Kopf. Peter spürte, wie der Steg
von Schritten erbebte. Weitere orangegelb gekleidete Männer kamen aus allen
Richtungen heran.
Jude stand unmittelbar unter der Öffnung im
Lüftungskanal. »Na, mach schon«, sagte Peter. Jude lächelte. »Wie nobel.«
»Nicht du«, sagte Peter und schaute hoch.
»Hollis.«
Jude hob den Kopf, und die Kugel aus Hollis'
Gewehr traf ihn über dem rechten Ohr. Ein hellroter Dunst sprühte auf. Peter
spürte die Feuchtigkeit in der Luft. Einen Moment lang passierte nichts. Dann
fiel die Flinte aus Judes Hand klappernd auf den Metallsteg. Eine Pistole mit
großem Kolben steckte in Judes Gürtel, und Peter sah, wie die Hand des Mannes
blindlings danach tastete, doch dann gab etwas in ihm nach. Blut floss aus Mund
und Augen, jammervolle Tränen aus Blut, er fiel auf die Knie, kippte vornüber,
und sein Gesicht erstarrte in einem Ausdruck ewigen Erstaunens: Ich
kann nicht glauben, dass ich tot bin.
Mausami tötete den Mann, der für die Versorgung
mit Dieselöl zuständig war.
Sie und Amy waren kurz vor dem Eintreffen der
Zuschauer durch den Haupttunnel hereingekommen und hatten sich unter der Treppe
versteckt, die von der unteren Ebene zu den Baikonen hinaufführte. Eine ganze
Weile hatten sie dort zusammengekauert gewartet und waren erst herausgekommen,
als die Rinder hereingetrieben worden waren und über ihnen wilder Jubel
losbrach. Die Luft brodelte von Rauch und Dieseldunst.
Etwas Furchtbares war hinter den Flammen.
Als der Viral über die Rinder herfiel, geriet
die Menge in Raserei. Sie stießen die Fäuste in die Höhe, stampften mit den
Füßen und sangen wie ein einzelnes Wesen in blutrünstiger Ekstase. Manche hoben
ihre
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