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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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ihren
Schenkel fuhr - ein seltsam unbedeutender Schmerz, wie ein Bienenstich -,
wusste sie, dass sie es geschafft hatte. Die Flammen erstarben blakend rund um
den Ring. Die Leute hinter den Gittern der Balkone wichen zurück, alle schrien,
und Chaos brach aus. Der Viral richtete sich auf, eine mächtige, pulsierende
Gestalt - mit angsterregenden Augen, Klauen und Zähnen. Sein glattes Gesicht,
der lange Hals und die massige Brust waren blutverschmiert. Sein Leib sah
geschwollen aus wie der einer riesigen Zecke. Er war mindestens drei Meter
groß. Eine schnelle Drehung des Kopfes, und er hatte Finn entdeckt. Der Viral
legte den Kopf zur Seite, sein ganzer Körper spannte sich, als er den Mann
anvisierte und sich zum Sprung anschickte. Schnell wie ein Gedanke flog er
durch die Luft, unsichtbar wie eine Gewehrkugel, und sofort war er da, wo Finn
hilflos am Boden lag. Was dann geschah, konnte Mausami nicht genau erkennen,
und darüber war sie froh: Es war kurz und entsetzlich, wie bei den Rindern,
aber unendlich viel schlimmer, weil es jetzt ein Mensch war. Blut spritzte
umher, als sei etwas geplatzt. Finn war auseinandergerissen. Der eine Teil
flog hierhin, der andere dorthin.
    Theo, dachte sie, und der
Schmerz in ihrem Bein wurde plötzlich stärker - sie knickte ein und stolperte. Theo, ich bin hier. Ich werde dich retten. Wir haben ein
Kind, Theo. Es ist ein Junge.
    Noch im Fallen sah sie eine Gestalt, die quer
durch den Ring rannte. Es war Amy. Aus ihrem Haar wehte eine Rauchfahne, und
an ihrer Kleidung leckten Flammenzungen. Der Viral hatte sich zu Theo umgedreht.
Amy warf sich zwischen die beiden und schützte Theo wie ein Schild. Vor dieser
riesenhaften, aufgedunsenen Gestalt sah sie winzig aus. Ein Kind.
    Und in diesem Augenblick schien die Zeit stehen
zu bleiben. Die ganze Welt hielt inne, und der Viral musterte die kleine
Gestalt vor ihm. Mausami dachte: Dieses Mädchen will etwas sagen. Dieses
Mädchen wird den Mund öffnen und sprechen.
     
    Zwanzig Meter weiter oben hatte Hollis sich mit
seinem Gewehr aus dem Belüftungskanal fallen lassen, dicht gefolgt von Alicia
mit dem RPG. Sie schwenkte den Granatwerfer nach unten und richtete das Rohr
auf die Stelle, wo Amy und Babcock standen. »Ich kann nicht schießen!«
    Caleb und Sara kamen hinter ihnen aus der
Öffnung. Peter riss Judes Flinte an sich und schoss auf die beiden Männer, die
über den Steg auf sie zugerannt kamen. Mit einem Würgeschrei kippte der eine
über das Geländer und stürzte kopfüber hinunter.
    »Schieß auf den Viral!«, schrie er Alicia zu.
    Hollis drückte ab, und der zweite Mann brach
zusammen.
    »Sie steht zu dicht vor ihm!«, sagte Alicia.
    »Amy«, brüllte Peter, »geh weg da!«
    Das Mädchen blieb stehen. Wie lange würde sie
ihn so in Schach halten können? Und wo blieb Olson? Die letzten Flammen waren
erloschen, und die Leute strömten die Treppen herunter, eine Lawine von
orangegelben Overalls. Theo kroch auf Händen und Knien rückwärts, aber er tat
es ohne Entschlossenheit; er hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden und
besaß nicht mehr die Kraft zum Widerstand. Caleb und Sara waren auf dem
Verbindungssteg bis zur Treppe gelaufen und stürmten hinunter in das Getümmel.
Peter hörte kreischende Frauen, weinende Kinder, und eine Stimme, die wie
Olsons klang. Sie drang durch das Getöse. »Zum Tunnel! Alles zum Tunnel,
schnell!«
    Mausami taumelte in den Ring.
    »Hier drüben!« Sie stolperte. Ihre Hose war
blutgetränkt. Auf Händen und Knien richtete sie sich auf, sie winkte und
schrie: »Schau her!« Maus, dachte
Peter. Geh zurück. Zu
spät. Der Bann war gebrochen.
    Der Viral reckte das Gesicht zur Decke, ging in
die Hocke, und sein Körper sammelte Energie wie eine gespannte Stahlfeder. Dann
schnellte er sich in die Höhe, flog ihnen mit gnadenloser Unausweichlichkeit
entgegen und im Bogen über ihre Köpfe hinweg. Er packte einen Dachträger, drehte
sich in der Luft wie ein Kind, das an einem Ast schaukelt, und landete laut
krachend auf dem Steg.
    Ich bin Babcock.
    Wir sind Babcock.
    »Lish ...«
    Peter fühlte, wie die Granate an seinem Gesicht
vorbeirauschte, fühlte sengend heißes Gas auf seiner Wange und wusste, was
passieren würde. Die Granate explodierte. Ein Faustschlag aus Donner und Hitze schleuderte
Peter rückwärts gegen Alicia, und beide stürzten auf den Steg, aber der Steg
war nicht mehr da. Nieten knallten, und der reißende Stahl stöhnte, als das
Ende des Stegs sich von den Dachträgern löste

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