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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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es
ist vorbei.
    Und wie anders sah es jetzt aus! Er hatte sein
Leben wieder. Mehr als das, es war, als habe er ein ganz neues Leben bekommen.
    Sie brachten den Tag zu Ende und zogen sich bei
Sonnenuntergang zurück. Conroy ließ sich am Fußende des Bettes nieder, und wie
jeden Abend schliefen sie miteinander und fühlten, wie das Baby zwischen ihnen
strampelte - ein beharrliches, Aufmerksamkeit heischendes Klopfen, fast wie
ein Morsecode. Anfangs hatte er es verstörend empfunden, aber jetzt nicht
mehr. Es gehörte alles zusammen: das Treten und Stoßen des Babys in seiner
warmen Höhle, Mausamis leise Schreie, der Rhythmus ihrer Bewegungen, sogar die
Geräusche, die Conroy machte, wenn er sich behutsam umdrehte. Ein Segen,
dachte Theo. Dieses Wort kam ihm in den Sinn, als der Schlaf herankroch. Das
war dieser Ort hier: ein Segen.
    Dann fiel ihm das Scheunentor ein.
    Er wusste, dass
er den Riegel vorgeschoben hatte. Er hatte das Bild klar und deutlich vor
Augen: Er hatte die Tür in ihren knarrenden Angeln zugedrückt und den Riegel
an seinen Platz geschoben, bevor er zum Haus zurückgegangen war.
    Aber wie hatte Conroy dann hineinkommen können?
    Im nächsten Augenblick war er in seiner Hose,
zerrte mit der einen Hand die Stiefel über die Füße und zog sich mit der
anderen den Pullover über den Kopf. Den ganzen Tag über war er im Haus und
draußen unterwegs gewesen, und er hatte nicht ein einziges Mal in die Scheune
geschaut.
    »Was ist?«, fragte Mausami. »Theo, was ist los?«
    Sie richtete sich auf und zog die Decke über die
Brust. Conroy spürte die Aufregung; er war aufgesprungen und lief mit langen,
klickenden Krallen im Zimmer hin und her.
    Theo griff nach dem Schrotgewehr neben der Tür.
»Bleib hier.«
    Er hätte Conroy lieber bei ihr gelassen, doch
der Hund wollte nichts davon wissen; als Theo die Haustür öffnete, schoss das
Tier hinaus. Zum zweiten Mal an diesem Tag schlich Theo auf die Scheune zu, den
Kolben der Flinte an die Schulter gepresst. Die Tür stand immer noch offen, wie
sie sie zurückgelassen hatten. Conroy lief vor ihm her und verschwand in der
dunklen Scheune.
    Theo trat durch das Tor und hielt den Finger
schussbereit am Abzug. Er hörte, wie der Hund durch die Dunkelheit lief und am
Boden entlangschnupperte.
    »Conroy?«, flüsterte er. »Was ist da?«
    Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt
hatten, konnte er den Hund sehen. Er lief gleich hinter dem Volvo im Kreis
herum. Auf dem Boden hinter dem Holzstapel stand eine Laterne, die Theo vor ein
paar Tagen dort abgestellt hatte. Er kniete davor nieder und zündete hastig den
Docht an. Er hörte, dass Conroy auf dem staubigen Boden etwas gefunden hatte.
    Eine Konservendose. Theo hob sie auf und hielt
sie an ihrem schartigen Rand hoch. Jemand hatte sie mit einem Messer geöffnet.
Das Innere der Dose war noch feucht und roch nach Fleisch. Theo hob die Laterne
höher und ließ das Licht über den Boden fallen. Fußabdrücke. Menschliche
Fußspuren im Staub.
    Jemand war hier gewesen.
     
    65
     
    Es war der Doktor gewesen. Der Doktor war es,
der sie gerettet hatte, und Lacey hoffte, dass sie ihm am Ende ein kleines
bisschen Trost hatte spenden können.
    Seltsam, was die Jahre mit Laceys Erinnerungen
an diese Nacht anstellten, an die Nacht vor so langer Zeit, als alles
angefangen hatte. Die Schreie und der Rauch. Die Rufe der Sterbenden und der
Toten. Endlose Nacht, die wie eine große schwarze Flut über die Welt
hinwegrollte. Manchmal stand ihr das alles so klar vor Augen, als wären nicht
Jahrzehnte, sondern nur ein paar Tage vergangen. Dann wieder war alles ganz
verschwommen. Die Bilder, die sie sah, und die Gefühle, die sie empfand, waren
so klein und weit weg wie Strohhalme auf dem breiten, rauschenden Fluss der
Zeit, der sie durch all die vielen Jahre getragen hatte.
    Sie erinnerte sich an den einen, an Carter.
Carter, der auf sie zugekommen war, als sie schreiend und winkend aus Wolgasts
Wagen geflohen war. Carter, der ihr Rufen gehört und auf sie herabgestoßen
war, um vor ihr zu landen wie ein großer, kummervoller Vogel. Ich
... bin ... Carter. Er war nicht wie die
andern. Er bot einen monströsen Anblick, aber sie sah doch, dass es ihm keine
Freude machte, was er tat. Dass sein Herz gebrochen war. Chaos ringsumher,
Schreie und Schüsse und Rauch. Männer rannten an ihr vorbei, schreiend, um sich
schießend, sterbend, und ihr Schicksal stand geschrieben schon seit Anbeginn
der Welt. Aber Lacey war nicht mehr an diesem

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