Cronin, Justin
waren. Der Asphalt war an zu vielen Stellen gerissen. Am Ende hatten
sie das Dach mit Grassoden gedeckt. Waffen waren auch da, Hunderte von Waffen
aller Art. Es war nicht einfach, so viele Waffen zu beseitigen. Eine ganze
Weile hatten sie sich damit beschäftigt, diese Waffen zu zerlegen, bis nichts
weiter übrig war als ein riesiger Berg von Schrauben und Nieten und glänzenden
Metallteilen, die sich nicht einmal zu vergraben lohnten.
Nur einmal ließ er sie allein. In ihrem dritten
Sommer auf dem Berg machte er sich auf die Suche nach Saatgut. Er nahm das eine
Gewehr mit, das er behalten hatte, und so viel Proviant, Treibstoff und Ausrüstungsmaterial,
wie er brauchen würde. Alles war auf dem Pick-up verstaut, den er für seine
Reise instand gesetzt hatte. Drei Tage, sagte er, doch zwei volle Wochen
vergingen, ehe Lacey das Motorengeräusch am Berghang hörte. Als er ausstieg,
sah er so verzweifelt aus, dass Lacey sofort wusste, er war nur zurückgekommen,
weil er es ihr versprochen hatte. Bis Grand Junction war er gefahren, gestand
er, ehe er sich entschieden hatte, doch wieder umzukehren. Im Wagen lagen die
versprochenen Saatgutsäcke. An diesem Abend zündete er das Feuer im Kamin an
und setzte sich davor. In schreckliches, trostloses Schweigen versunken,
starrte er in die Flammen. Noch nie hatte sie in den Augen eines Mannes solches
Leid gesehen, und obwohl sie wusste, dass sie ihm seinen Schmerz nicht nehmen
konnte, ging sie noch in derselben Nacht zu ihm und sagte, sie finde, von
diesem Tag an sollten sie als Mann und Frau zusammenleben, in jeglicher
Hinsicht. Es kam ihr unbedeutend vor, ihm diese Liebe anzubieten, diese
Kostprobe der Vergebung, und als es dann geschah, da begriff sie, dass die
Liebe, die sie ihm angetragen hatte, auch eine Liebe war, die sie selbst
suchte: das Ende der Reise, die sie vor all den Jahren in den Feldern ihrer
Jugend begonnen hatte.
Er ließ sie nie wieder allein.
Über die Jahre hinweg liebte sie ihn mit ihrem
Körper, der nicht alterte wie seiner. Sie liebte ihn, und er liebte sie. Jeder
tat es auf seine Weise, und sie lebten allein auf ihrem Berg. Der Tod kam
langsam und im Laufe der Jahre zu ihm, nahm ihm dieses und dann jenes, nagte an
den Rändern und drang weiter vor. Seine Augen und seine Haare. Seine Zähne und
seine Haut. Die Beine, das Herz, die Lunge. Es gab viele Tage, an denen Lacey
sich wünschte, sie könnte auch sterben, damit er seine letzte Reise nicht allein
antreten müsste.
Eines Morgens, als sie im Garten arbeitete,
spürte sie seine Abwesenheit. Sie ging ins Haus, dann in den Wald, und sie
rief seinen Namen. Es war Hochsommer, die Luft war frisch und klar, und das
Sonnenlicht funkelte auf den Blättern. Er hatte sich einen Platz ausgesucht,
wo die Bäume spärlich standen und der Himmel über ihm war. Er konnte das Tal
sehen und dahinter, wie ein großes, stilles Meer, die Wogen der Berge, die bis
zum blauen Horizont reichten. Er stützte sich auf einen Spaten und rang
keuchend nach Atem. Er war jetzt ein alter Mann, grau und gebrechlich, aber
hier stand er und grub ein Loch in die Erde. Wofür ist das Loch da?, fragte
sie, und er sagte, das ist für mich. So brauchst du es nicht zu graben, wenn
ich nicht mehr da bin. Den ganzen Tag und bis in den Abend hinein grub er,
warf kleine Häufchen Erde zur Seite und wartete nach jedem Spatenstich, bis er
wieder Luft bekam. Sie sah ihm zu - vom Rand der Lichtung aus, denn er wollte
ihre Hilfe nicht. Als er fertig war und das Loch zufriedenstellende Ausmaße
hatte, kehrte er in das Haus zurück, in dem sie so viele Jahre zusammengelebt
hatten, und legte sich in das Bett, das er mit eigener Hand zusammengebaut
hatte, aus schweren Bohlen und einem Geflecht von faserigen Seilen, in das
ihrer beider Umrisse eingedrückt waren. Und am nächsten Morgen war er tot.
Wie lange war das her? Lacey hielt in ihrer
Erzählung inne. Amy und der junge Mann - Peter - sahen sie erwartungsvoll an.
Wie seltsam, diese Geschichten nach so langer Zeit zu erzählen: von Jonas und
der furchtbaren Nacht und von allem, was hier an diesem Ort geschehen war. Sie
hatte das Feuer geschürt und einen Topf zum Kochen auf den Dreifuß gestellt.
Die Luft im Haus - zwei niedrige, durch einen Vorhang getrennte Zimmer - war
warm und von einem angenehmen Duft erfüllt, und das Feuer verbreitete sein
sanftes Licht.
»Vierundfünfzig Jahre«, sagte sie und
beantwortete die Frage, die sie selbst gestellt hatte. Und im Stillen sagte sie
es noch
Weitere Kostenlose Bücher