Cronin, Justin
Wehen gingen
den ganzen Tag weiter, reißend und schmerzhaft. Theo blieb bei ihr auf dem Bett
und drückte auf ihre Wirbelsäule, bis seine Hände taub und seine Arme gummiweich
vor Erschöpfung waren. Aber verglichen mit dem, was mit ihr passierte, waren
solche kleinen Beschwerden bedeutungslos. Er wich nur zweimal von ihrer Seite:
um Conroy aus dem Garten hereinzurufen, und später, um ihn wieder
hinauszulassen, als der Tag zu Ende ging und er ihn an der Tür winseln hörte.
Und jedes Mal, wenn er dann die Treppe wieder hinaufging, hörte er, wie Mausami
nach ihm schrie.
Ob es immer so war? Eigentlich wusste er es
nicht. Es war furchtbar, endlos, anders als alles, was er in seinem Leben
bisher erlebt hatte. Würde Mausami noch die Energie haben, das Baby
hinauszupressen, wenn es so weit wäre? Zwischen den Wehen schien sie in einer
Art Halbschlaf zu schweben, aber er wusste, dass sie sich konzentrierte und
auf die nächste Welle des Schmerzes vorbereitete. Er konnte lediglich auf ihren
Rücken drücken, auch wenn das nur ganz wenig zu helfen schien. Eigentlich gar
nicht.
Er hatte die Laterne angezündet - noch eine
Nacht, dachte er verzweifelt, wie konnte das noch eine Nacht so weitergehen?
-, als Maus einen schrillen Schrei ausstieß. Er fuhr herum und sah, dass
wässriges Blut aus ihr heraus und in Bändern über ihre Schenkel lief.
»Maus, du blutest.«
Sie hatte sich auf den Rücken gedreht und die
Schenkel angezogen. Ihr Atem ging sehr schnell, und ihr Gesicht war
schweißüberströmt. »Halte. Meine Beine«, keuchte sie.
»Wie soll ich sie halten?«
»Ich. Presse. Jetzt. Theo.«
Er stellte sich ans Fußende und legte die Hände
auf ihre Knie. Als die nächste Wehe kam, richtete sie sich in der Taille auf
und drückte ihm ihr ganzes Gewicht entgegen.
»O Gott. Ich kann es sehen.«
Sie hatte sich geöffnet wie eine Blume, und er
sah eine runde Scheibe von rosaroter, mit nassen schwarzen Haaren bedeckter
Haut. Im nächsten Augenblick war sie wieder verschwunden; die Blütenblätter
falteten sich darüber zusammen, und das Baby wurde in sie zurückgezogen.
Drei-, vier-, fünfmal presste sie so, und jedes
Mal erschien das Baby und verschwand genauso schnell wieder. Zum ersten Mal kam
ihm der Gedanke: Dieses Baby will nicht geboren werden. Dieses Baby will bleiben,
wo es ist.
»Hilf mir, Theo«, flehte sie. »Zieh es heraus,
zieh es heraus, bitte zieh es heraus.«
»Du musst noch einmal pressen, Maus.« Aber sie
sah völlig hilflos aus, halb besinnungslos, am Rande des völligen
Zusammenbruchs. »Hörst du mich? Du musst pressen!«
»Ich kann nicht, ich kann nicht!«
Die nächste Wehe kam über sie, und sie hob den
Kopf und stieß einen animalischen Schmerzensschrei aus. »Pressen, Maus,
pressen!«
Sie tat es. Sie presste. Als die Schädeldecke
des Babys erschien, griff Theo zu und schob den Zeigefinger in sie hinein, in
die Hitze und Nässe. Er fühlte die Rundung von Augenhöhlen, die zarte
Vorwölbung einer Nase. Aber er konnte das Baby nicht herausziehen, er fand
keinen Halt, das Baby musste zu ihm kommen. Er zog die Hand zurück, schob sie
unter sie und drückte die Schulter an ihre Beine, um sich ihrer Anstrengung
entgegenzustemmen.
»Wir haben es fast! Hör jetzt nicht auf!«
Und als habe die Berührung seiner Hand in ihm
den Willen geweckt, geboren zu werden, glitt das Gesicht des Babys aus ihr
hervor - ein Anblick von prachtvoller Fremdartigkeit, mit Ohren und einer Nase
und einem Mund und vorquellenden Froschaugen. Theo legte die Hand unter die
glatte, nasse Wölbung des Kopfes. Die Nabelschnur, ein durchscheinender,
blutgefüllter Schlauch, war um den Hals geschlungen. Obwohl niemand es ihm
gesagt hatte, schob Theo einen Finger darunter und hob sie behutsam weg. Dann
schob er die Hand in Mausami, hakte einen Finger unter den Arm des Babys und
zog.
Der Körper wand sich heraus und füllte Theos
Hände, glitschig, blauhäutig und warm. Ein Junge. Das Baby war ein Junge. Noch
hatte er nicht geatmet oder sonst einen Laut von sich gegeben. Seine Ankunft in
der Welt war unvollendet, aber was jetzt passieren musste, hatte Maus ihm ziemlich
gut erklärt. Theo drehte das Baby in den Händen herum, legte den dünnen Leib
der Länge nach auf seinen Unterarm und stützte das abwärts gewandte Gesicht
mit der flachen Hand, und dann rieb er mit der freien Hand in kreisförmigen
Bewegungen den Rücken. Das Herz hämmerte in seiner Brust, aber er empfand keine
Panik. Seine Gedanken waren klar und
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