Cronin, Justin
konzentriert, und jede Faser seines
Wesens widmete sich dieser einen Aufgabe. Komm schon, sagte er, komm schon,
atme. Nach allem, was du jetzt durchgemacht hast, kann das doch nicht so schwer
sein. Das Kind war gerade erst geboren, und schon spürte Theo, wie es ihn im
Griff hatte - wie dieses kleine graue Ding auf seinem Arm jede andere
Möglichkeit, sein Leben zu führen, durch seine bloße Existenz ausgelöscht hatte.
Komm, Baby. Mach schon. Öffne deine Lunge und atme.
Und dann geschah es. Theo fühlte, wie die kleine
Brust sich mit einem hörbaren Klicken blähte, und mit einem Nieser sprühte
etwas Warmes, Klebriges auf seine Hand. Das Baby tat einen zweiten Atemzug und
füllte seine Lunge, und Lebenskraft strömte durch den Körper. Theo drehte das
Kind um und griff nach einem Lappen. Jetzt fing es an zu schreien, doch es war
nicht der energische Protest, den er erwartet hatte, sondern eher ein Quäken.
Er wischte ihm Nase, Lippen und Wangen ab und strich den letzten Schleim mit
dem Finger aus seinem Mund. Dann legte er das Kind, immer noch an der
Nabelschnur, auf Maus' Brust.
Sie sah erschöpft und ausgelaugt aus, und ihre
Lider waren schwer. An ihren Augenwinkeln sah er Fächer aus kleinen Fältchen,
die einen Tag zuvor noch nicht da gewesen waren. Sie brachte ein mattes, aber
dankbares Lächeln zustande. Es war vorbei. Das Kind war geboren, es war endlich
da.
Er breitete eine Wolldecke über das Baby, über
sie beide, und dann setzte er sich neben sie auf das Bett und ließ alles los.
Er weinte.
Mitten in der Nacht wachte Theo auf und dachte:
Wo ist Conroy?
Maus und das Baby schliefen. Sie hatten
beschlossen - besser gesagt, Maus hatte es beschlossen, und Theo war sofort
einverstanden gewesen -, das Kind Caleb zu nennen. Sie hatten ihn fest in eine
Decke gewickelt und neben Maus auf die Matratze gelegt. Die Luft im Zimmer war
immer noch schwer von einem vollen, erdigen Geruch nach Blut und Schweiß und
Kindbett. Sie hatte das Baby gestillt oder es zumindest versucht - ihre Milch
würde erst in ein, zwei Tagen kommen - und auch selbst ein bisschen gegessen,
einen Brei aus gekochten Kartoffeln aus dem Keller und ein paar Bissen von
einem mehligen Apfel aus ihrem Wintervorrat. Theo wusste, bald würde sie
Protein brauchen. Aber jetzt, da es wärmer geworden war, gab es jede Menge
Kleinwild in der Umgebung. Sobald alles seinen geordneten Gang ginge, würde er
auf die Jagd gehen müssen.
Es schien plötzlich ganz klar zu sein, dass sie
nie mehr von hier weggehen würden. Sie hatten hier alles, was sie zum Leben
brauchten. Das Haus hatte all die Jahre überstanden und darauf gewartet, dass
jemand es wieder zu einem Zuhause machte. Er wusste nicht, warum er so lange
gebraucht hatte, um das zu sehen. Wenn Peter zurückkäme, würde Theo es ihm
sagen. Vielleicht war etwas da oben auf diesem Berg, vielleicht auch nicht. Es
war egal. Hier waren sie zu Hause, und sie würden nie mehr weggehen.
Er hatte eine Zeitlang dagesessen und über all das
nachgedacht, erfüllt von stillem Staunen und einer ganz unerwarteten
Zufriedenheit, die in seinem tiefsten Innern zu wurzeln schien. Aber irgendwann
übermannte ihn doch die Müdigkeit; er kroch zu ihnen ins Bett und war bald
eingeschlafen.
Als er jetzt wach war, fiel ihm ein, dass er
Conroy ganz vergessen hatte. Er versuchte sich zu erinnern, wann er den Hund
zuletzt gesehen hatte. Irgendwann kurz vor Sonnenuntergang hatte er angefangen
zu winseln, weil er hinausgelassen werden wollte. Theo hatte es rasch erledigt,
denn er wollte nicht einen Augenblick lang von Maus' Seite weichen. Conroy
lief nie weit weg, und wenn er sein Geschäft erledigt hatte, kratzte er an der
Tür. Theo war so sehr abgelenkt gewesen, dass er einfach die Tür zugeschlagen
hatte und die Treppe hinaufgerannt war, und danach hatte er den Hund völlig
vergessen.
Bis jetzt. Es war merkwürdig, dachte er, dass er
nicht einmal einen Piepser von ihm gehört hatte. Kein Kratzen an der Tür, und
kein Gebell draußen. Nach den Fußspuren in der Scheune hatte Theo ein paar
Tage lang wachsam die Augen offen gehalten; er war nie weit vom Haus
weggegangen und hatte die Schrotflinte stets griffbereit gehabt. Aber als die
Zeit verging und er nichts Auffälliges mehr entdeckte, hatte er sich wieder der
dringenderen Angelegenheit der Geburt zugewandt, und er fragte sich, ob er
missdeutet hatte, was er gesehen hatte. Die Fußspuren konnten auch seine
eigenen gewesen sein, und die Konserve hatte Conroy
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