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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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hörte er sie nach ihm rufen. Schau weg,
Maus, dachte er. Ich liebe dich. Schau weg.
     
    Teil XI
     
    Das neue Wesen
     
    Mir kannst du, Herz, nicht altern; denn so
schön,
    Wie da zuerst mein Aug' in deines blickte,
    Bist du noch heute.
    Shakespeare, Sonett
104
     
    71
     
    Sie kamen den Berg herunter, als der Fluss
auftaute. Sie fuhren über den Schnee, alle zusammen, mit Rucksack und
blitzendem Messer. Sie kamen herunter ins Tal, Michael am Steuer des Sno-Cat,
Greer an seiner Seite, die anderen hinter ihnen, Wind und Sonne in den
Gesichtern. Sie kamen endlich herunter in das wilde Land, das sie wieder in
Besitz genommen hatten. Sie fuhren nach Hause.
    Einhundertundzwölf Tage waren sie auf dem Berg
gewesen. In der ganzen Zeit hatten sie keinen einzigen Viral gesehen. Nachdem
sie über den Höhenkamm auf die andere Seite des Tals gezogen waren, hatte es
tagelang ununterbrochen geschneit, und sie waren in dem alten Hotel
eingeschlossen gewesen, in einem großen Steingebäude, dessen Türen und Fenster
mit Sperrholzplatten gesichert waren. Sie hatten damit gerechnet, Leichen zu
finden, doch das Hotel war leer. Die Möbel vor dem Kamin in der weiten
Eingangshalle waren mit geisterhaft weißen Laken bedeckt, und die Speisekammer
der riesigen Küche war voll von Konserven aller Art, teilweise noch mit
unversehrtem Etikett. Oben war ein Labyrinth von Korridoren mit Schlafzimmern,
und im Keller fanden sie einen mächtigen Heizkessel und an den Wänden lange
Halterungen mit Skiern. Überall war es kalt wie im Grab. Sie wussten nicht, ob
der Kamin verschlossen war; zumindest würde er mit Laub und Vogelnestern
verstopft sein. Sie konnten nur ein Feuer anzünden und das Beste hoffen. In
einem Schrank im Büro fanden sie Kartons mit Papier, das sie zum Anzünden
zusammenrollten, und mit Peters Axt zerhackten sie zwei Stühle aus dem
Speiseraum. Nach ein paar verräucherten Minuten war es hell und warm in der
Halle. Sie schleppten Matratzen aus dem ersten Stock herunter und schliefen vor
dem Feuer, während draußen der Schnee immer höher wurde.
    Die Sno-Cats hatten sie am nächsten Morgen
gefunden: Drei dieser Schneepflüge standen auf ihren Ketten in der Garage
hinter dem Hotel. Peter fragte Michael: Glaubst du, du kriegst eins von den
Dingern zum Laufen?
    Sie hatten fast den ganzen Winter dort
ausgeharrt. Inzwischen hatten alle einen Hüttenkoller und wollten nur noch weg.
Die Tage wurden länger, und in der Sonne lag eine ferne Wärme, an die sie sich
erinnerten, aber der Schnee war immer noch tief und schob sich in hohen Wehen
an den Mauern des Hotels hinauf. Sie hatten den größten Teil des Mobiliars und
des Verandageländers verbrannt. Aus den drei Sno-Cats hatte Michael genug
Einzelteile ausgebaut, um einen zum Laufen zu bringen. Das nahm er jedenfalls
an, das Problem war allerdings der Treibstoff. Der große Tank hinter der Garage
war leer und verrottet, und er hatte Risse. Übrig war nur das, was in den Tanks
der Cats selbst zurückgeblieben war, nicht mehr als ein paar Gallonen, stark
verunreinigt durch Rost. Michael saugte es in Plastikeimer ab und goss es durch
einen mit Lappen ausgelegten Trichter. Dann ließ er es über Nacht stehen, damit
der Schmutz sich setzen konnte, und wiederholte den Vorgang. Jedes Mal war der
Sprit ein wenig sauberer, aber auch weniger. Als Michael endlich zufrieden war,
hatte er noch fünf Gallonen, die er in den Tank des Cat zurückgoss.
    »Ich kann nichts versprechen«, warnte er. Er
hatte sein Bestes getan, um den Benzintank mit Unmengen von geschmolzenem
Schnee auszuspülen, viel war indes nicht nötig, um eine Benzinleitung zu
verstopfen. »Das verfluchte Ding kann nach hundert Metern den Geist aufgeben«,
sagte er, obwohl er wusste, die anderen würden seine Warnung nicht ernst
nehmen.
    An einem sonnigen Morgen schoben sie den Cat aus
der Garage und luden ihre Sachen hinein. Riesige Eiszapfen hingen wie
diamantene Zähne an den Dachtraufen des Hotels. Greer, der Michael bei der
Arbeit geholfen hatte - wie sich herausstellte, war er früher Ölhand gewesen
und verstand das eine oder andere von Motoren -, setzte sich zu ihm in die
Kabine, und die andern würden hinten mitfahren, auf einem breiten, mit einem
Geländer gesicherten Aufsatz. Den Pflug hatten sie abmontiert, um das Gewicht
zu reduzieren; so hofften sie, aus dem bisschen Sprit, das sie hatten, ein paar
Meilen mehr herausquetschen zu können.
    Michael öffnete das Fenster und rief nach
hinten: »Sind alle an

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