Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
Vom Netzwerk:
einen Mann wie
Richards zu mögen oder gar zu loben.
    Sykes stand auf und trat an Richards vorbei an
die Monitore heran. Er justierte die Lautstärke und zoomte Zero auf dem Monitor
heran.
    »Sie waren früher Freunde, wissen Sie«, sagte
er. »Lear und Fanning.«
    Richards nickte. »Hab ich gehört.«
    »Ja. Hm.« Sykes atmete tief ein, ohne den Blick
von Zero zu wenden. »Eine feine Art, seine Freunde zu behandeln.«
    Sykes drehte sich um und sah Richards an, der
immer noch an seinem Computerterminal saß. Er sah aus, als habe er sich seit
zwei Tagen nicht rasiert, und seine Augen, die im Licht der Leuchtstoffröhren
blinzelten, waren verschleiert. Einen Moment lang sah er aus wie einer, der
vergessen hatte, wo er war.
    »Was ist mit uns?«, fragte er Richards. »Sind
wir Freunde?«
    Das war etwas Neues für Richards. Offenbar waren
Sykes' Träume schlimmer, als er dachte. Freunde! Wen interessierte das?
    »Na klar«, sagte Richards und gestattete sich
ein Lächeln. »Wir sind Freunde.«
    Sykes musterte ihn einen Augenblick lang.
»Andererseits«, sagte er, »ist das vielleicht doch keine so tolle Idee.« Er
winkte ab. »Trotzdem vielen Dank.«
    Richards wusste, was Sykes bedrückte: das
Mädchen. Sykes hatte selbst zwei Kinder, zwei erwachsene Söhne. Beide waren auf
der Militärakademie in West Point gewesen wie ihr alter Herr. Der eine war
jetzt im Pentagon beim Nachrichtendienst, der andere bei einer Panzereinheit
in der Wüste von Saudi-Arabien, und irgendwo, dachte Richards, gab es
möglicherweise auch noch Enkel. Sykes hatte es wahrscheinlich irgendwann
beiläufig erwähnt, aber so etwas gehörte nicht zu den Dingen, über die sie hier
normalerweise sprachen. So oder so gefiel Richards die Sache mit dem Kind
nicht. Um die Wahrheit zu sagen, Richards interessierte es im Grunde einen
Dreck, was Lear wollte. In jeder Hinsicht.
    »Sie sollten wirklich ein bisschen an der
Matratze horchen«, sagte Richards. »Wir haben einen Neuzugang in« - er sah auf
die Uhr - »drei Stunden.«
    »Dann kann ich auch gleich aufbleiben.« Sykes
ging zur Tür, aber dort drehte er sich um und sah Richards müde an. »Ganz unter
uns, und wenn Sie die Frage gestatten - wie haben Sie es geschafft, ihn so
schnell hierherzubringen?«
    »War nicht so schwierig.« Richards zuckte die
Achseln. »Ich habe ihn in einem Truppentransport aus Waco untergebracht. Ein
Haufen Reservisten. Sie sind kurz nach Mitternacht in Denver gelandet.«
    Sykes zog die Stirn kraus. »Haben Sie eine
Ahnung, was diese Eile soll?«
    Richards wusste es nicht genau. Der Befehl war
von dem Verbindungsmann bei Special Weapons gekommen. Aber wenn er hätte raten
sollen, hätte er gewettet, dass es etwas mit der verschwitzten Pritsche und
der suppenverkrusteten Warmhalteplatte und einem Jahr ohne Sonne und frische
Luft zu tun hatte, mit den üblen Träumen und dem »Red Roof«-Motel und all dem
andern. Zum Teufel, wenn man die Situation genau betrachtete - wozu er schon
lange keine Lust mehr hatte -, ging wahrscheinlich alles zurück auf den
hübschen Bücherwurm namens Elizabeth Macomb Lear, den langen Kampf gegen den
Krebs, etc., pp ...
    »Ich habe eine Gefälligkeit kassiert und die
Spurenbeseitigung von Langley aus erledigen lassen. Systemweit, von A bis Z.
Carter ist bereits ein Nobody.«
    Sykes war skeptisch. »Niemand ist ein Nobody. Es
gibt immer irgendwelche Spuren.«
    »Kann sein. Aber dieser Kerl ist nah dran.«
    Sykes blieb noch einen Augenblick in der Tür
stehen, ohne etwas zu sagen, und beide wussten, was sein Schweigen bedeutete.
»Tja«, sagte er schließlich, »es gefällt mir trotzdem nicht. Wir haben nicht
umsonst ein festgelegtes Verfahren. Drei Gefängnisse, dreißig Tage - und erst
dann bringen wir ihn her.«
    »Ist das ein Befehl?« Ein Scherz. Sykes konnte
ihm nichts befehlen - nicht wirklich. Richards war nur so nett, das nicht extra
zu betonen.
    »Nein, vergessen Sie's.« Sykes gähnte und hielt
sich den Handrücken vor den Mund. »Was sollten wir auch tun - ihn zurückgeben?«
Er klopfte mit der Hand gegen den Türrahmen. »Rufen Sie mich an, wenn der Van
kommt. Ich bin oben, aber ich schlafe nicht.«
    Komisch: Als Sykes gegangen war, merkte Richards,
dass er sich wünschte, er wäre geblieben. Vielleicht waren sie in gewissem
Sinne doch Freunde. Für ihn war es nicht der erste üble Job; er wusste, dass es
einen Augenblick gab, in dem der Tonfall sich änderte wie jetzt. Unversehens
hörte man sich reden, als sei nichts weiter, als sei die

Weitere Kostenlose Bücher