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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Virus,
das - richtig modifiziert - dazu in der Lage wäre, die Thymusdrüse wieder voll
funktionsfähig zu machen. Richard hatte Lears erste Forschungsberichte gelesen,
diejenigen, die Coles Aufmerksamkeit erregt hatten - den ersten in Science und den zweiten im Journal of
Paleovirology. Lear hatte darin eine Hypothese
aufgestellt, die Hypothese von der Existenz eines »Agens, das die menschliche
Lebenserwartung signifikant verlängern und die körperliche Robustheit steigern
könnte und dies in ausgewählten Momenten der Menschheitsgeschichte auch getan
hat«. Richards brauchte keinen Doktortitel in Mikrobiologie, um zu verstehen,
dass dies riskantes Zeug war. Vampirzeug, auch wenn niemand bei den Special
Weapons dieses Wort jemals benutzte. Wenn es nicht von einem Wissenschaftler
mit Lears Renomme geschrieben worden wäre, einem Mikrobiologen aus Harvard
immerhin, hätte sich das alles angehört, als stamme es aus der Regenbogenpresse.
Trotzdem war Richards nicht so recht wohl bei der Vorstellung. Als Junge hatte
er eine Menge solcher Geschichten gelesen, nicht nur die Comics - Tales
Front The Crypt und Dark
Shadows und all das -, sondern auch den Origiml-Dracula von Bram Stoker, und die Filme kannte er sowieso. Alberner
Quatsch und schlechter Sex, das hatte er schon damals gewusst, und doch hatten
sie etwas an sich, das ein tiefes Gefühl des Wiedererkennens in ihm entstehen
ließ - vielleicht sogar der Erinnerung? Die Zähne, der Blutdurst, die
unsterbliche Vereinigung mit der Dunkelheit - was wäre, wenn das alles keine
Fantasien wären, sondern Erinnerungen oder sogar ein Instinkt, ein Gefühl, das
sich über Äonen in die menschliche DNA eingeprägt hatte, das Gespür für eine
dunkle Macht, die im menschlichen Tier verborgen war? Eine Macht, die man
reaktivieren, verfeinern, unter Kontrolle bringen konnte?
    Lear hatte es geglaubt, und Cole auch. Ihr
Glaube hatte sie in den bolivianischen Urwald geführt, auf die Suche nach ein
paar toten Touristen. Untote Touristen, wie sich herausgestellt hatte.
Richards mochte das Wort nicht, aber ein besseres fiel ihm nicht ein. »Untot«
war letzten Endes eine ziemlich treffende Bezeichnung für ihren Zustand, der
alle, die von dem Forscherteam übrig waren, getötet hatte, alle außer Lear,
Fanning, einen der Soldaten und einen jungen Medizinstudenten namens Fortes.
Wenn Fanning nicht wäre, hätte man das ganze Unternehmen als Totalverlust
abschreiben müssen.
    Lear. Man musste Mitgefühl mit dem Mann haben.
Wahrscheinlich glaubte er immer noch, er versuche, die Welt zu retten, aber
diesen Traum hatte er an dem Tag in den Wind schreiben können, als er sich mit
Cole und Special Weapons eingelassen hatte. Wer weiß, was Lear jetzt durch den
Kopf ging. Der Mann verließ E4 niemals. Er schlief da unten in seinem Labor auf
einer verschwitzten kleinen Pritsche und hatte sein Essen auf einer
Warmhalteplatte stehen, und wahrscheinlich hatte er seit einem Jahr die Sonne
nicht mehr gesehen. Damals am Anfang hatte Richards ein bisschen ausführlicher
gegraben und eine Reihe von interessanten kleinen Informationen zutage
gefördert. »Beweisstück A« war der Nachruf auf Lears Frau im Boston
Globe, erschienen sechs Monate bevor Cole Richards in
Ankara aufgesucht hatte, ein volles Jahr vor dem Bolivien-Fiasko. Elizabeth
Macomb Lear, 41. BA Smith, MA Berkeley, Promotion Univ. of Chicago. Professorin
für Englisch am Boston College, Mitherausgeberin des Renaissance
Quarterly, Verfasserin von Shakespeares
Monster: Tierverwandlung und das frühmoderne Moment (Cambridge
University Press, 2008). Nach langem Kampf gegen den Lymphdrüsenkrebs, etc. ...
Ein Bild war auch dabei. Richards hätte Elizabeth Lear nicht als umwerfend
bezeichnet, aber auf ihre leicht unterernährte Art war sie ganz hübsch. Eine
ernsthafte Frau mit ernsthaften Ideen. Zumindest waren keine Kinder im Spiel.
Wahrscheinlich wegen der Chemo und Bestrahlung ausgeschlossen.
    Wenn man es also genau betrachtete: Wie viel von
Projekt NOAH hatte mit einem einzigen trauernden Mann zu tun, der in einem
Keller saß und versuchte, den Tod seiner Frau rückgängig zu machen?
    Jetzt, nachdem fünf Jahre verstrichen und
tausenderlei Dinge in die Binsen gegangen waren, hatten sie nach all ihren
Mühen nichts weiter vorzuweisen als dreihundert tote Affen, ungezählte
krepierte Hunde und Schweine, ein halbes Dutzend verstorbene Penner und elf
ehemalige Todeskandidaten, die im Dunkeln leuchteten und allen eine
Scheißangst einjagten.

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