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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Wie die Affen, waren auch die ersten sechs Männer
innerhalb von wenigen Stunden gestorben, glühend vom Fieber und blutend wie
geplatzte Hydranten. Aber dann hatte der Erste überlebt - Giles Babcock, ein
durchgeknallter Irrer, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hatte; alle auf E4
nannten ihn nur den Schwätzer, weil der Kerl nicht für eine Sekunde die Klappe
halten konnte, vorher nicht und nachher nicht -, und dann auch Morrison und
Chavez und Baffes und die andern, alles in allem elf Mann. Jede Modifikation
hatte das Virus ein wenig weiter geschwächt, sodass der Organismus der
Häftlinge dagegen ankämpfen konnte. Elf Vampire, oder was immer sie sein mochten
- aber warum sollte man dieses Wort nicht benutzen? -, mit denen niemand etwas
anfangen konnte, soweit Richards es überblickte. Sykes hatte ihm gestanden, er
sei nicht mal sicher, dass man sie überhaupt noch umbringen konnte. Man musste ihnen schon eine Panzerfaust in den
Rachen rammen. SLA: Sag Laut Aaah. Das
Virus hatte ihre Haut in eine Art proteinbasiertes Exoskelett verwandelt, so
hart, dass Kevlar dagegen ein Pfannkuchenteig war. Nur über dem Brustbein, in
einem Bereich von zwei Zoll im Quadrat, war dieses Material dünn genug, um es
zu durchdringen. Aber auch das war nur eine Theorie.
    Und diese Glühstäbe wimmelten von dem Virus. Vor
sechs Monaten war ein Techniker damit in Berührung gekommen; niemand wusste genau,
wie. Doch mit einem Mal kotzte er in sein Visier und wand sich in Krämpfen auf
dem Boden der Dekontaminationsschleuse. Wenn Richards ihn dabei nicht auf dem
Monitor gesehen und die Ebene sofort abgeriegelt hätte - wer weiß, was dann
passiert wäre. So hatte er nur die Kammer sterilisieren, dem Mann beim Sterben
zusehen und dann einen Reinigungstrupp rufen müssen. Samuels hatte der
Techniker geheißen, oder Samuelson - egal. Das Schrubberkommando war frei vom
Virus gewesen, und nach einer zweiundsiebzigstündigen Quarantäne hatte Richards
die Ebene wieder freigegeben.
    Er zweifelte keine Sekunde daran, dass er
irgendwann aus dem Projekt aussteigen würde. Das Elizabeth Protocol: Manche
fanden den Einfall wahrscheinlich lustig. Obwohl es eigentlich ziemlich klar
war, wer dahintersteckte. Auf so eine Idee konnte nur Cole kommen. Hinter
seiner glatten Country-Club-Fassade hatte er den macchiavellistischen Spaßvogel
nie ganz verstecken können. Elizabeth, verflucht
noch mal. Nur Cole war es zuzutrauen, die Sache nach Lears verstorbener Frau zu
nennen.
    Richards spürte es: Das ganze Unternehmen war
zum Scheitern verurteilt. Ein Teil des Problems war die grenzenlose
Langeweile. Man konnte nicht achtzig Mann auf einem Berg absetzen und ihnen
nichts weiter zu tun geben, als Kaninchenfelle zu zählen und ihnen zu befehlen,
dazusitzen und für alle Zeit die Klappe zu halten.
    Dazu kamen die Träume.
    Richards hatte sie auch; das glaubte er
jedenfalls. Er konnte sich nie genau erinnern. Doch manchmal wachte er mit dem
Gefühl auf, dass in der Nacht etwas Seltsames passiert war - als habe er eine
ungeplante Reise unternommen und sei gerade erst zurückgekommen. So war es bei
den beiden Schrubberschwingern gewesen, die sich unerlaubt entfernt hatten. Das
mit den Kastraten war Richards' Idee gewesen, und eine Zeitlang hatte es auch
prima geklappt: die friedlichsten Typen, die man je gesehen hatte, milde wie
der Buddha allesamt, Leute, die kein Mensch vermissen würde, wenn die ganze
Geschichte erst vorüber wäre. Die beiden, Jack und Sam, waren entkommen, indem
sie sich in zwei Mülltonnen versteckt hatten. Als Richards sie am nächsten
Morgen aufstöberte - sie hatten sich zwanzig Meilen weiter in einem »Red
Roof«-Motel am Interstate Highway verkrochen und warteten nur darauf, dass man
sie fand -, konnten sie von nichts anderem reden als von den Träumen. Das
orangegelbe Licht, die Zähne, die Stimmen im Wind, die ihre Namen riefen. Sie
waren völlig durchgedreht. Eine Zeitlang saß er einfach auf der Bettkante und
ließ sie reden: zwei Sexualstraftäter mit einer Haut so weich wie Kaschmir und
rosinengroßen Hoden, zwei ausgewachsene Männer, die sich mit bloßen Händen den
Rotz von der Nase wischten und heulten wie kleine Kinder. In gewisser Weise war
es rührend, aber man konnte sich so was nicht unbegrenzt anhören. Wird Zeit,
dass wir gehen, Jungs, sagte Richards, es ist alles in Ordnung, niemand ist
böse auf euch. Dann fuhr er mit ihnen an eine Stelle, die er kannte, ein hübsches
Plätzchen mit Blick auf einen Fluss, um ihnen

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