Cronin, Justin
trug ihren Rucksack mit Peter, dem Hasen. Als Lacey
vorgeschlagen hatte, ihn zu Hause zu lassen, hatte sie an dem kurzen Aufblitzen
im Auge des Mädchens sofort erkannt, dass dies nicht in Frage kam. Diesen
Rucksack würde die Kleine niemals irgendwo zurücklassen.
»Wohin möchtest du zuerst?«, fragte Lacey. Ein
paar Schritte hinter dem Eingang stand ein Kiosk mit einem großen Lageplan,
auf dem unterschiedliche Farben anzeigten, wo sich die verschiedenen Gehege und
Tierarten befanden. Ein weißes Paar studierte den Plan. Der Mann trug eine
Kamera an einer Kordel um den Hals, und die Frau bewegte einen Kinderwagen
sanft hin und her. Das Baby lag unter einem Berg von rosa Decken begraben und
schlief. Die Frau sah Lacey und musterte sie einen Moment lang argwöhnisch:
Was tat eine schwarze Nonne mit einem weißen Mädchen? Aber dann lächelte sie -
ein bisschen gezwungen, ein Lächeln der Entschuldigung, des Rückzugs -, und das
Paar ging weiter.
Amy spähte zu dem Plan hinauf. Lacey wusste
nicht, ob das Mädchen lesen konnte, neben der Schrift gab es jedoch auch
Bilder. »Ich weiß nicht«, sagte Amy. »Zu den Bären?«
»Was für welche?«
Die Kleine überlegte kurz, und ihr Blick
wanderte über die Bilder. »Eisbären«, entschied sie, und dabei trat ein
erwartungsvolles Leuchten in ihre Augen. Sie würden gemeinsam durch den Zoo
gehen und sich die Tiere ansehen, ganz so, wie Lacey es erhofft hatte. Während
sie noch dastanden, kamen immer mehr Leute durch das Drehkreuz, und bald
wimmelte es im Zoo von Besuchern. »Und dann weiter zu den Zebras und Elefanten
und Affen.«
»Wunderbar.« Lacey lächelte. »Wir werden uns
alles anschauen.«
An einem Verkaufsstand kauften sie eine Tüte
Erdnüsse und gingen weiter in den Zoo hinein, in eine dichte Wolke von Gerüchen
und Geräuschen gehüllt. Als sie sich dem Eisbärengehege näherten, hörten sie
Lachen und Planschen und laute Schreie, ein Gewirr von jungen und alten
Stimmen, begeistert und entsetzt zugleich. Amy ließ Laceys Hand los und rannte
voraus.
Lacey drängte sich zwischen den Schultern der
Menschen vor der Eisbärenanlage hindurch. Amy stand mit dem Gesicht dicht vor
der Glasscheibe, die eine Unterwasseransicht des Bärenbassins ermöglichte -
ein kurioser Anblick in der Hitze von Memphis: Steinblöcke, die so angestrichen
waren, dass sie wie Eisschollen aussahen, in einem tiefen, arktisch blauen
Becken. Drei Eisbären lagen in der Sonne hingestreckt wie große Kaminvorleger,
und ein vierter paddelte mit seinen gewaltigen Pranken im Wasser. Er schwamm
geradewegs auf Amy und Lacey zu und stieß mit der Nase an die Scheibe. Lacey
hörte sich selbst aufschreien, und ein angenehmer Schreck fuhr durch ihre
Wirbelsäule bis in ihre Füße und Fingerspitzen. Amy streckte die Hand aus und
berührte das beschlagene Glas dicht vor dem Gesicht des Eisbären. Der Bär riss
die Schnauze auf. Man sah seine rosarote Zunge.
»Vorsicht«, warnte ein Mann hinter ihnen. »Die
sehen vielleicht niedlich aus, aber für sie bist du nur ein Mittagessen,
Kleine.«
Erschrocken drehte Lacey sich um und suchte nach
dem Sprecher. Wer war dieser Mann, der einem Kind solche Angst einjagen wollte?
Aber keins der Gesichter hinter ihr erwiderte ihren Blick; alle lachten und beobachteten
die Bären.
»Amy«, sagte sie leise und legte dem Kind eine
Hand auf die Schulter, »vielleicht ist es besser, sie nicht zu reizen.«
Amy schien sie nicht zu hören. Sie drückte die
Nase an die Glasscheibe. »Wie heißt du?«, fragte sie den Bären.
»Langsam, Amy«, sagte Lacey. »Nicht so nah.«
Amy streichelte die Scheibe. »Er hat einen
Bärennamen. Ich kann ihn nicht aussprechen.«
Lacey zögerte. War das ein Spiel? »Der Bär hat
einen Namen?«
Das Mädchen schaute blinzelnd zu ihr auf, und
ein wissendes Leuchten lag auf ihrem Gesicht. »Natürlich hat er einen Namen.«
»Und den hat er dir gesagt.«
In diesem Augenblick erhob sich ein mächtiges
Platschen im Becken. Ein Aufschrei ging durch die Menge. Ein zweiter Bär war
ins Wasser gesprungen, und er - sie? - paddelte durch das Blau auf Amy zu.
Jetzt waren es zwei Tiere, so groß wie Autos, die nur eine Handbreit vor dem
Mädchen an die Scheibe stießen. Ihr weißes Fell kräuselte sich in der Strömung
unter Wasser.
»Sieh dir das an«, sagte jemand. Es war die
Frau, die Lacey am Kiosk gesehen hatte. Sie stand neben ihnen und hielt ihr
Baby wie eine Puppe an die Glasscheibe. Ihr langes Haar war straff nach hinten
gebunden, sie
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