Cruel World
sagen, er solle sich sofort beruhigen, aber stattdessen fiel mein Blick auf das kleine Tablett neben dem Feuer, auf dem sich pures, saftiges Fleisch und köstlich aussehende Knochen befanden. Das Fett tropfte hinunter auf den Plastikteller und bildete eine sehr schmackhaft aussehende Soße, die mir das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.
Du solltest, glaube ich, wirklich etwas essen. Patrick nickte mir aufmunternd zu und brachte das Tablett zu mir.
Gleich darauf bekam ich einen Schluck Wasser zu trinken, das ich sofort hinunterschluckte. Na schön.
Alex fuhr sich mit beiden Händen aufgebracht durch die Haare. Wie bitte? Wenn ich dich frage, willst du nicht, wenn dieser alte Mann dich jedoch fragt, dann bist du einverstanden? Machst du das etwa mit Absicht? Für wen hälst du dich eigentlich?
Blinzelnd über seine merkwürdige Art mir gegenüber versuchte ich mich aufzustzen, was mir nur mit Patricks Hilfe ein wenig gelang, der den Kopf wieder einzog und meinte: Vieleicht sollten sie ein wenig freundlicher zu diesem Mädchen sein. Sie ist krank.
Mischen Sie sich nicht ein! Ich habe ihr das Leben gerettet. Das ist jawohl genug!
Patrick schnitt mir ohne ein weiteres Wort ein Stück des Fleisches ab und schob mir die Gabel in den Mund. Langsam kaute ich es ordentlich durch, um den allerersten Geschmack dieses Tieres zu verinnerlichen. Es war auf jeden Fall sehr gut durchgegaart und erinnerte mich an das letzte Weihnachten mit meiner Familie.
Mein Vater hatte eine große Gans und einen Hirsch bestellt, die am frühen Abend bei uns zuhause ankamen. Meine Mutter hatte sie sofort zubereitet, war danach allerdings ziemlich traurig gewesen, dass ich es nicht essen wollte. Im Gegenteil, ich hatte sie an dem Tag zum allerersten mal als eine schlechte Mutter bezeichnet, die nicht einmal wusste, was ihre einzige Tochter gerne aß, und was nicht.
Diese schreckliche Erinnerung trieb mir Tränen in die Augen. Plötzlich konnte ich nicht anders, als zu schluchzen.
Ganz vage nahm ich wahr, wie Patrick sanft zur Seite geschubst wurde und Alex mich tröstend in seine Arme nahm.
Zuerst war ich überrascht darüber, doch danach entschied ich mich, alles herauszulassen. Ich weinte. Ich weinte ununterbrochen, bis mir der Hals so sehr wehtat, dass ich nur noch krächzen konnte. Wieso dachte ich immer wieder an die alten Zeiten zurück? In der letzten Zeit geschah das immer öfter. Warum, wusste ich nicht, aber es konnte nichts Gutes bedeuten. Wenn ich meine Gefühle nicht unter Kontrolle hielt, könnten furchtbare Dinge geschehen - vor allem, wenn bösartige Vampire davon erfuhren. Aber Alex war nicht böse. Auf keinen Fall konnte ich mir das auch nur im Geringsten vorstellen. Dieser junge Mann war bloß ziemlich launisch, energisch und leicht reizbar.
Weine nicht, Chalina-Anastasia. Es ist alles gut. Ich bin für dich da.
Bei seinen Worten wurde mir war ums Herz. Jetzt war er wieder der Alex, der sich liebevoll um mich kümmerte und alles daran setzen würde, damit es mir besser ging. Das Weinen hatte also doch einen Vorteil gebracht. Nun wusste ich, wie man ihn am Leichtesten beruhigen kann.
Alex... Ich vergrub das Gesicht in seiner Schulter.
Hast du dich... an irgendetwas erinnert? fragte er mich ein wenig nervös, was mich ziemlich irritierte. Ja, woher weißt du das?
Weißt du, wenn man lange genug lebt, dann lernt man, wie und weshalb Menschen auf bestimme Dinge reagieren.
Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie Patrick lächelnd den Kopf schüttelte und sich ein wenig zurückzog, indem er zum Feuer ging, sich dort wieder niederließ und den Blick abwandte.
Alex fuhr mir mit einer Hand den Rücken auf und ab, die andere Hand streichelte sanft über meine nasse Wange.
Ich wusste nicht, wieso ich mich nicht lösen wollte - lösen
konnte
. Mein Herz hatte den Drang seine feste Brust an meiner zu spüren. Das verstand ich nicht. Vor einigen Stunden noch hatte ich mir nichts lieber gewünscht, er würde mir auf keinen Fall zu Nahe kommen und nun hielt er mich in seinen Armen, so, als wären wir seit Ewigkeiten die besten Freunde.
Man konnte in so kurzer Zeit nicht wissen, ob man sich zu einer Person hingezogen fühlt. Das war unmöglich. Ich war ihm bloß unendlich dankbar. Genau, das musste es sein.
Vorsichtig schob Alex mich von sich, um mir tief in die Augen schauen zu können. Ist alles wieder in Ordnung?
Mh-hmm. schniefte ich und wischte mir die Tränen weg, während sein Blick auf meinen Arm fiel.
Sagen Sie,
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