Crusie, Jennifer - Der Cinderella-Deal
winzigen gezeichneten Einzelteilen, sondern direkt im Pinselzug steckten. Werke aus dicken Farbstrichen anstelle von kleinen bunten Punkten. »Meine Malerei muss größer werden. Ich muss…«
Wieder war da der lang gezogene Schrei, der sie vorhin schon aufgeschreckt hatte, nur diesmal lauter. »Das ist definitiv eine Katze.« Eilig lief Daisy zum Fenster, um es zu öffnen.
Sofort fegte der Wind ins Zimmer und brachte noch mehr Chaos als üblich in Daisys Wohnung. Liz kam auf die Pfoten und miaute entrüstet, aber Daisy ignorierte sie und lehnte sich hinaus in den Sturm.
Aus dem Gebüsch unter ihrem Fenster starrten zwei helle Augen zu ihr hoch.
»Bleib, wo du bist!«, befahl sie und sauste zur Wohnungstür.
»Daisy?«, rief Julia hinter ihr her. Aber die hatte schon die Tür hinter sich zuknallen lassen und rannte in den Regen hinaus. Was auch immer sie eben gesehen hatte, war verschwunden. Also krabbelte Daisy auf Händen und Knien durch den Schlamm, um unter den Busch zu spähen.
Ein Kätzchen linste zu ihr zurück, durchnässt, verdreckt und alles andere als erfreut, sie zu sehen. Daisy streckte die Hand nach ihm aus und wurde mit einem Kratzer für ihre Mühe belohnt. »Ich rette dich doch, du Dummchen«, erklärte sie ihm, während es sich zappelnd dagegen wehrte, von ihr aus dem Busch gezogen zu werden. »Hör auf, dich zu sträuben.«
Sobald sie wieder drinnen war, wickelte sie den patschnassen kleinen Körper in ein Geschirrtuch. Julia und Liz beäugten ihn mit ähnlichem Abscheu.
»Es sieht aus wie eine Ratte«, stellte Julia fest. »Ich fasse es nicht. Du hast eine Ratte gerettet.«
Liz fauchte, und als Daisy das Kätzchen trocken rieb, fauchte es auch.
»Es ist eine Glückskatze.« Daisy kniete sich hin, um sich mit dem handtuchumwickelten Tier auf dem Tisch auf Augenhöhe zu bringen. »Du bist in Sicherheit.«
Das fleckige Katzenbaby blitzte sie an und miaute so kreischend, als würde jemand mit den Fingernägeln über eine Tafel schrammen.
»Das ist genau, was du gebraucht hast. Noch ein Maul, das du stopfen musst«, tadelte Julia ihre Freundin. Das Kätzchen fauchte nun auch sie an. »Und was für eins.« Mitfühlend blickte sie auf Liz. »Ich kann dich verstehen, wenn du bei mir leben willst«, erklärte sie der Katze. »Ich weiß ja, dass du offiziell tot bist, aber sogar du musst bei einer Ratte als Mitbewohnerin eine Grenze ziehen.«
Ein letztes Mal funkelte Liz das Katzenbaby an, dann rollte sie sich unter der Lampe zusammen und schlief wieder ein.
»Ein Katzenjunges frisst nicht so viel«, widersprach Daisy und ging zur Küche, um Futter zu holen. Auf dem Regal über dem Herd, hinter der Ausgabe von »Grimms Märchen«, einem Glas krapproter Acrylfarbe und dem Zimt fand sie eine Thunfischdose. Über die Schulter rief sie Julia zu: »Willst du auch Thunfisch?«
»Nein. Eigentlich wollte ich nur die Kekse vorbeibringen, aber dann hast du mich abgelenkt.« Julia und das Kätzchen beäugten sich mit ähnlich großem Widerwillen. »Weißt du, das ist eine ziemlich unglückliche Ratte.«
»Hör auf, Julia!« Daisy kippte den Doseninhalt auf einen Porzellanteller mit Veilchenmuster. Ein Drittel des Thunfischs schaufelte sie in ein halbes Fladenbrot. Den Rest verteilte sie zwischen Liz’ rotem Katzenschälchen und einer gelben Tonuntertasse. Auf dem Weg zurück zu dem runden Eichentisch ließ sie eine der Mahlzeiten vor Liz’ Nase plumpsen. Vor lauter Begeisterung über den Fisch setzte Liz sich sogar auf. Das zweite Schälchen schob Daisy vor die kleine Katze. Um den Kontrast zwischen den blauen Veilchen auf ihrem Teller neben der gelben Tonuntertasse zu bewundern, blieb sie stehen. Farbe und Kontrast, dachte sie. Clash. Das ist das Leben.
»Daisy«, begann Julia. »Ich weiß, dass du ausflippst, wenn ich das sage. Aber ich kann dir tausend Dollar leihen. Ich möchte dir tausend Dollar leihen. Bitte.«
Empört drehte Daisy sich zu ihrer Freundin um, die im Schein der Tiffanylampe neben dem Tisch stand. Julia sah zerbrechlich aus, zaghaft und mitfühlend, und Daisy liebte sie für ihr Angebot - aber genauso wütend machte es sie auch. »Nein. Ich schaffe das allein.«
Julia biss sich auf die Lippe. »Dann lass mich eins von deinen Werken kaufen. Du weißt, wie sehr ich das Lizzie-Borden-Bild mag. Lass mich…«
»Julia, du hast schon drei Gemälde von mir.« Daisy wandte sich wieder der Katze zu. »Das sind genug Almosen.«
»Das ist kein Almosen«, beharrte Julia eindringlich.
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