Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
Gedächtnis mochte getrübt und lückenhaft sein, aber das hatte sie nicht vergessen.
»Deeds ist ein feiner Kerl.«
»Wenn du meinst.« Sie war nicht überzeugt. Der Anwalt in seinen maßgeschneiderten Anzügen und teuren Schuhen war ihr einfach zu aalglatt. Außerdem dachte sie an das Gespräch mit der Stellvertretenden Bezirksstaatsanwältin Johnson, die sie gewarnt hatte, Deeds würde, wenn er die Gelegenheit bekäme, Eves Zeugenaussage in der Luft zerreißen. Nein, sie mochte ihn nicht.
Die Mikrowelle klingelte, und Eve nahm mit Hilfe eines alten Ofenhandschuhs die dampfende Tasse heraus und reichte sie Cole zusammen mit dem Handschuh. »Tut mir leid. Heiß.«
»Danke.« Er blies in die Tasse. »Was hat die Polizei zu den Zeitungsausschnitten gesagt?«
»Sie glauben, derjenige, der sie in meinen Wagen geschmuggelt hat, will mir damit sagen, dass ich womöglich Faith Chastains verschollene Tochter bin.«
»Was?« Cole, der gerade die Tasse zum Mund führen wollte, erstarrte mitten in der Bewegung. »Welche verschollene Tochter?«
Eve erklärte ihm die Einzelheiten. Er wusste bereits, dass sie ein Adoptivkind war, doch von den jüngsten Spekulationen hatte er noch nichts gehört. »Ist das nicht ziemlich an den Haaren herbeigezogen?«, fragte er. »Von diesen Zeitungsausschnitten auf die verschollene Tochter zu schließen?« Er trank einen Schluck Kaffee. »Das … das erscheint mir wirklich reichlich abwegig. Und überhaupt, wer sollte denn davon wissen? Nein, ich glaube, es hat mit dem Mord an deinem Vater zu tun und mit der Tatsache, dass Faith Patientin in der Klinik war zu der Zeit, als er dort arbeitete.«
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten, es herauszufinden.«
»Zwei Möglichkeiten?«, hakte er nach.
»Ja. Entweder ich sitze tatenlos herum und warte auf die Ergebnisse des DNA -Vergleichs, oder ich fahre zum Gelände des Our Lady of Virtues und suche nach jemandem, der etwas von der Sache weiß.«
»Die Klinik wurde schon vor Jahren geschlossen.«
»Aber das Kloster nicht. Ich wette, ein paar von den Nonnen, die damals in der Klinik gearbeitet haben, leben heute noch in dem Kloster.« Eve ging zu der Schublade, in der sie den Umschlag mit den kopierten Zeitungsausschnitten verwahrte. Während Cole seinen Kaffee schlürfte, sah sie die Artikel erneut durch. »Mal sehen … Okay, hier zum Beispiel. In diesem Artikel« – sie reichte ihm das Blatt – »wird Schwester Rebecca Renault zitiert, die jetzt Mutter Oberin ist. Ich erinnere mich noch von damals an sie.«
Stirnrunzelnd überflog Cole den Artikel.
»Ich werde versuchen, sie zu einem Gespräch zu bewegen«, sagte Eve nachdenklich.
Wie um ihre Entschlossenheit zu beweisen, griff sie zum Handy, rief die Auskunft an und ließ sich mit dem Kloster verbinden. Sie geriet an eine Sekretärin, die ihr mitteilte, der Terminplan der Ehrwürdigen Mutter sei in den nächsten paar Tagen voll. Eve solle doch Anfang der nächsten Woche noch einmal anrufen, dann ließe sich sicher etwas arrangieren.«
»Könnten Sie der Ehrwürdigen Mutter bitte ausrichten, sie möchte mich zurückrufen?«, bat Eve, die sich nicht vertrösten lassen wollte.
»Natürlich. Gewöhnlich beantwortet sie Anrufe vor dem Vespergottesdienst, aber heute Nachmittag hat sie viele Termine. Vielleicht findet sie morgen Zeit, Sie anzurufen.«
»Das wäre großartig.« Eve nannte der Sekretärin ihre Telefonnummer, dann legte sie ein wenig enttäuscht auf.
»Fehlanzeige?«
»Mehr oder weniger.« Sie trommelte mit den Fingern auf dem Tresen und fügte hinzu: »Jedenfalls vorerst.«
»Willkommen im Club.«
»Wie meinst du das?«
»Auf dem Computer deines Vaters habe ich nichts gefunden. Überhaupt keine Informationen.«
»Das kommt also dabei heraus, wenn wir Detektiv spielen.«
Cole leerte seine Tasse und stellte sie in die Spüle. »Ich weiß ja nicht, wie es mit dir steht, aber ich gebe nicht so schnell auf.«
»Schön, du Spürnase. Was hast du als Nächstes vor?«
»Was ich als Nächstes vorhabe? Nachdem du mich Spürnase genannt hast?« Cole lächelte sie durchtrieben an.
Die Veränderung in der Atmosphäre zwischen ihnen war Eve unbehaglich, und sie bereute ihre kecken Worte augenblicklich. »Ich wollte nur wissen, was du planst.«
»Ich weiß es noch nicht. Lass mir ein bisschen Zeit.«
Sie sahen einander an. Eve atmete tief durch. Oha, sie steckte bis über beide Ohren in Schwierigkeiten.
Er machte einen Schritt auf sie zu, und sie sagte: »Nicht.«
»Es ist
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