Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
schieben. Hier lief nicht die »guter Cop/böser Cop«-Nummer, wie man sie aus dem Fernsehen kannte – die beiden waren lediglich zwei verdammt entschlossene Detectives.
»Sie haben die Kautionsauflagen nicht eingehalten«, warf Montoya Cole vor.
Deeds schüttelte den Kopf. »Die Klage wurde fallengelassen. Mein Mandant ist frei, nicht nur auf Kaution.«
»Trotzdem wäre da noch die Sache mit dem Besitz von Marihuana«, sagte Bentz.
Deeds sah ihn über seine Lesebrille hinweg mit einem Ausdruck tiefster Enttäuschung an. »Uns allen ist doch klar, was davon zu halten ist«, sagte er. »Jemand hat meinem Mandanten die Drogen untergeschoben – wer es war und weshalb, bleibt noch aufzuklären.« Montoya setzte zum Protest an, doch Deeds hob abwehrend eine Hand. »Nicht jetzt, Detective. Mein Mandant ist aus freien Stücken hergekommen. Er hat keine Straftat begangen, und sofern Sie keine weiteren Fragen mehr haben, möchten wir jetzt gehen.«
»Diebstahl
ist
eine Straftat«, sagte Montoya und trat einen Schritt vor, doch der Vorwurf klang wenig überzeugend, denn immerhin befand sich der Laptop inzwischen im Besitz der Behörden. Auf einen Blick von Bentz hin riss sich Montoya zusammen und sagte nur noch knapp: »Später werden wir vielleicht noch weitere Fragen an Sie haben, Dennis. Sie sind noch lange nicht vom Haken.«
Deeds stand auf. »Wenn Sie genügend Material für eine Anklage zusammenhaben, rufen Sie mich an.«
Kristi Bentz glaubte es nicht ertragen zu können, wenn sie auch nur einen einzigen weiteren Anruf von irgendeinem schwachsinnigen Kunden annehmen müsste, der Ansprüche an die Versicherung geltend machen wollte. Wie viel Gejammer über verbeulte Stoßstangen, gesplitterte Frontscheiben, verzogene Achsen und eingedellte Kotflügel sollte sie sich noch anhören und dabei mitfühlend tun, während der Kunde endlos über den »Idioten« herzog, der zu dicht aufgefahren war und ihm die Stoßstange verbogen hatte, oder über den »Blödmann«, der dumm genug war, den Kunden auf dem Parkplatz des Supermarkts im Rückwärtsgang zu rammen, oder über das »Arschloch«, das plötzlich wie ein Wahnsinniger angeschossen kam, als der Kunde die Spur wechseln wollte?
Gerade saß sie an dem kleinen Schreibtisch in ihrer Büronische, vor sich auf dem Computerbildschirm eine Übersicht über die Angebote und Leistungen der Gulf Auto and Life, und sprach mit der Mutter eines Fünfzehnjährigen, der, obwohl er noch keinen Führerschein besaß, mit dem Minivan der Familie eine Spritztour unternommen hatte und im Graben gelandet war. Nun wollte die Frau doch tatsächlich wissen, ob Gulf Auto für den Schaden an dem fast schrottreifen Auto aufkäme.
Kristi hatte die Frau bereits an ihre Sachbearbeiterin verwiesen und ihr zugesichert, einen Schadenssachverständigen hinzuzuziehen, doch das war der Kundin nicht genug. Die Mutter des jugendlichen Schwachkopfs verlangte von Kristi das Versprechen, dass die Versicherung den Schaden übernahm.
Heilige Mutter Gottes!
»Ms Osgoode wird Sie zurückrufen«, sagte Kristi schließlich und legte auf.
Ihr standen noch einige Stunden Schreibtischarbeit bevor, ehe sie nach Hause gehen konnte.
Nach Hause.
Eine Atelierwohnung im Uni-Bezirk, eingerichtet mit Secondhand-Möbeln und Stücken, die sie in Billigläden gefunden hatte. Die Wohnung war durchaus gemütlich, fand Kristi, aber doch nicht das, was sie sich nach dem College-Abschluss vorgestellt hatte. Und auch dieser stupide Job war nicht gerade der Inbegriff ihrer Sehnsüchte.
Nicht angesichts der Möglichkeit, über wahre Kriminalfälle zu schreiben. Immerhin hatte sie Zugang zu Insiderwissen über ein paar der spektakulärsten Mordfälle der Stadt. Der interessanteste spielte sich im Augenblick praktisch vor ihrer Nase ab. Das Opfer war Terrence Renner, und die Beteiligten standen alle irgendwie im Zusammenhang mit der gruseligen alten psychiatrischen Klinik am Stadtrand. War das nicht der perfekte Stoff für einen Bestseller?
Wen störte es, wenn ihr Vater nicht wollte, dass sie sich einmischte?
Sie konnte auf eigene Faust recherchieren, selbst eine Akte über den Fall anlegen. Sie hatte bereits einige Kurzkrimis in Zeitschriften veröffentlicht, und da sie äußerst sparsam lebte, hatte sie so genügend Geld zusammengespart, um ihren Job hinwerfen zu können. Es würde reichen, wenn sie abends kellnern ging. Auf diese Weise hatte sie tagsüber Zeit zu recherchieren und zu schreiben.
Und wenn ihr
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