Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
in der Anstalt zur Welt gebracht hatte, müsste es dann nicht in den Akten vermerkt sein? Eve hatte bereits bei den zuständigen Behörden nachgefragt, jedoch ohne Ergebnis. Daraufhin hatte sie es im Internet versucht, ebenfalls erfolglos. Wenn Faith Chastain tatsächlich ein drittes Kind geboren hatte, war es offenbar nirgends registriert worden.
Auf ihrer eigenen Geburtsurkunde waren ihre leiblichen Eltern als »unbekannt« eingetragen. Früher hatte man ihr erzählt, sie sei als Neugeborenes vor einem Waisenhaus ausgesetzt worden, das die Nonnen von Our Lady of Virtues leiteten. In der psychiatrischen Klinik habe man davon gehört, und Dr. Renner habe den Säugling untersucht. Da er und seine Frau seit längerem über eine Adoption nachdachten, hatten sie mit Hilfe eines ortsansässigen Anwalts die nötigen Formalitäten abgewickelt. Dieser Anwalt war, wie Eve herausfand, vor fast zwanzig Jahren gestorben, und seine Akten befanden sich in einem Lagerhaus unter Verschluss. Der alleinige Erbe, ein Neffe des Anwalts, der in einem anderen Bundesstaat lebte, sah keinen Grund, daran zu rühren. Ohne Gerichtsbeschluss hatte Eve somit keine Möglichkeit, die Unterlagen einzusehen.
Also war es Zeit, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen.
Entschlossen ging Eve zurück in die Küche, nahm aus einer Schublade eine schwere Taschenlampe und knipste sie an. Zu ihrer Überraschung funktionierte die Lampe, auch wenn der Lichtstrahl nur schwach war. »Das wird reichen.«
Als Nächstes kramte sie einen uralten, verstaubten Rucksack hervor und packte die Taschenlampe hinein, außerdem eine Rolle Klebeband, ein Paar Handschuhe und ein kleines Handtuch.
So ausgerüstet, machte sie sich auf den Weg.
Die polizeiliche Vernehmung entwickelte sich zusehends zu einer Katastrophe.
Deeds hatte das Ganze arrangiert, und Cole hatte das Seine beigetragen: Er hatte zugegeben, dass er in der Mordnacht in Terrence Renners Haus gewesen war, die Leiche entdeckt und den Mord gemeldet hatte. Er ging davon aus, das die bei der Telefongesellschaft registrierten Daten seine Aussage stützen würden. Außerdem räumte er ein, dass es ein Fehler gewesen sei, nicht zu warten, bis die Polizei eintraf, und keine Angaben zu seiner Person zu machen. Er gestand darüber hinaus, dass er die Aktentasche und den Laptop an sich genommen hatte. An diesem Punkt wollten ihm die Cops auf der Stelle Handschellen anlegen, doch Deeds entschärfte die Situation mit dem Hinweis, Cole habe immerhin von sich aus diese Aussage gemacht, obwohl es für ihn möglicherweise vorteilhafter gewesen wäre, den Mund zu halten.
Montoya schäumte vor Empörung darüber, dass Cole Beweismaterial manipuliert hatte. Deeds schlug vor, die Computerfachleute der Behörde sollten den Rechner überprüfen – wenn sie ihr Handwerk verstünden, müssten sie feststellen können, dass nichts verändert oder gelöscht worden sei.
Letztendlich schienen die Cops einzusehen, dass Cole Renner nicht umgebracht hatte, auch wenn sie seine Motive mit großer Skepsis betrachteten. Entweder glaubten sie ihm tatsächlich, oder sie hatten nicht genug in der Hand, um ihn festzuhalten. Wahrscheinlich wollten sie einfach nicht riskieren, sich noch einmal vor der Presse lächerlich zu machen, indem sie den Falschen verhafteten.
Cole war während der gesamten langwierigen Prozedur nervös, bemühte sich aber, es nicht zu zeigen. Er saß auf einem Stuhl mit gerader Lehne in dem kleinen, stickigen Raum, erzählte seine Geschichte und beantwortete geduldig alle Fragen, die die beiden Detectives ihm stellten, sosehr die Situation auch an seinen Nerven zerrte. Montoyas fast schwarze Augen funkelten misstrauisch, und Rick Bentz tippte mit dem Bleistift auf die Schreibtischplatte, während er seine Fragen stellte. Montoya, dieser Scheißkerl mit seiner Lederjacke, die so etwas wie sein Markenzeichen zu sein schien, und seinem albernen Diamant-Ohrstecker war offensichtlich auf Konfrontationskurs. Sein Gesicht war starr, seine Lippen schmal, die Haut spannte über seinen Wangenknochen, und er feuerte Frage um Frage auf Cole ab, wobei er unablässig auf seinem Kaugummi herumkaute. An seinem Hals traten die Sehnen hervor, und immer wieder ballte er eine Hand zur Faust.
Insgesamt war er alles andere als cool.
Bentz, der ältere der beiden Ermittler, ging methodischer und besonnener vor, schien jedoch ebenso wie sein hitzköpfiger Partner ganz versessen darauf, Cole Dennis den Mord in die Schuhe zu
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