Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
Aber da es in dem Fall keine handfesten Spuren gab, konnte er es sich nicht leisten, irgendetwas außer Acht zu lassen, ganz gleich, wie unbedeutend oder abwegig es erscheinen mochte. »Ich überprüfe das. Die Jungs im Labor sollen es vergrößern, und vielleicht können sie etwas an der Schärfe tricksen. Weißt du noch, wann du die Aufnahme gemacht hast?«
»Nicht genau. Ein paar Tage bevor du den Kerl gefasst hast.«
»Das reicht. Wenigstens vorerst.«
Abby lehnte sich mit der Hüfte an den Schreibtisch. »Ich habe mit Zoey gesprochen. Über Eve.«
»Ach ja?«
»Ich würde sie gern kennenlernen. Zoey eigentlich auch, aber sie kann nicht so bald aus Seattle weg. Berufliche Gründe, sie ist stinksauer deswegen. Ich muss es also allein tun.«
Montoya fiel es immer unglaublich schwer, Abby etwas abzuschlagen, doch wenn es sich um polizeiliche Angelegenheiten handelte, war das etwas anderes. »Die besagte Dame ist in die laufenden Ermittlungen verstrickt. Es wäre vielleicht besser, wenn du wartest, bis wir die Sache aufgeklärt haben.«
Abby sah ihn eindringlich an, und an dem energischen Zug um ihren Mund erkannte er, dass er ein Problem hatte. »Hör mal, Detective, es ist ja nicht so, als würde ich dir nichts zutrauen, aber bis du diesen Fall abgeschlossen hast, könnte es noch Wochen und Monate, ja sogar Jahre dauern. Ich möchte die ›besagte Dame‹ gern jetzt schon kennenlernen.«
Montoya wollte Einspruch erheben, doch sie wehrte mit einer Handbewegung ab.
»Ich weiß, ich weiß, vielleicht ist auch in ein paar Tagen alles aufgeklärt. Aber dafür gibt es nun einmal keine Garantie. Und ich finde, ich habe ein Recht darauf, mit der Frau, die vielleicht meine Halbschwester ist, zu sprechen.«
»Du könntest wenigstens warten, bis die Ergebnisse der DNA -Analyse vorliegen.«
»Und wann wird das sein? Heute Nachmittag? Morgen? Oder vielleicht in ein paar Wochen? Es spielt doch sowieso keine Rolle. Ich habe nicht vor, deinen Ermittlungen in die Quere zu kommen, ich will sie nur kennenlernen.« Sie stieß sich vom Schreibtisch ab. »Versuch doch mal, das alles nicht nur negativ zu betrachten. Vielleicht hat es ja auch eine gute Seite. Ich könnte mir vorstellen, dass Eve im Moment eine Schwester ganz gelegen käme.«
»Sie hat zwei Brüder.«
»Das ist etwas anderes.«
Bei dem Gedanken an Eves Brüder schüttelte der Detective den Kopf. Etwas an den beiden behagte ihm nicht. Er bekam sie nicht zu fassen, sie waren telefonisch nicht zu erreichen und riefen auf seine Nachrichten hin auch nicht zurück. Zudem schienen sowohl Kyle als auch Van Renner in finanziellen Schwierigkeiten zu stecken. Die Ermittler hatten Auskünfte über die Kreditkartenkonten der Brüder eingeholt und erfahren, dass beide ihren Dispo auf mehreren Karten völlig ausgereizt hatten. Darüber hinaus war Kyles Haus mit drei Hypotheken belastet. Van, der zur Miete wohnte, hatte bereits mehrmals die Stadt gewechselt und bei verschiedenen Gläubigern Schulden hinterlassen. Geldeintreiber waren hinter ihm her.
Möglicherweise hatte Abby recht: Vielleicht brauchte Eve tatsächlich eine Schwester, der sie sich anvertrauen konnte. Montoya seufzte. »Okay. Ich vereinbare einen Termin mit ihr.«
»Ich glaube, es wäre besser, wenn ich das selbst in die Hand nehme. Du weißt schon, damit die Polizei aus dem Spiel bleibt.«
»Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken. In Eve Renners Umfeld werden Menschen umgebracht.«
»Es wird schon nichts passieren, Detective«, redete Abby ihm zu. »Außerdem bin ich schließlich mit einem großen, starken Macho verlobt, den ich sofort zu Hilfe rufe, wenn ich irgendwie in Schwierigkeiten gerate.«
»Vergiss das bloß nicht.«
»Nie.« Sie zwinkerte ihm vielsagend zu, und sofort beschleunigte sich sein Puls. Zum Teufel mit der Frau – sie war sich ihrer Wirkung auf ihn sehr wohl bewusst und nutzte sie geschickt.
»Du bist mir einen Gefallen schuldig.«
»Hmmm … Ich werde mir etwas einfallen lassen, um dich dafür zu entschädigen.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, flüsterte ihm etwas Anzügliches ins Ohr und war im nächsten Moment zur Tür hinaus, als sei ihre Seele engelsrein. »Satansweib«, murmelte Montoya, gerade laut genug, dass sie ihn hörte.
»Du sagst es, mein Lieber!«, rief sie über die Schulter zurück.
Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und betrachtete das Foto von der Klinik. War es möglich? Konnte die schattenhafte Gestalt dort hinter dem Fenster der Mörder von
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