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Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Titel: Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vitali Sertakov
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    COUNTDOWN
    Der Mann schlug die Augen auf und schrie.
    Genauer gesagt, er wollte schreien, brachte aber nur ein Röcheln heraus, weil ihm ein breites Gummistück zwischen die Zähne gepresst war. Ein biegsames Plastikrohr steckte tief in seinem Rachen und nahm ihm jede Möglichkeit, die Zunge zu bewegen. Er konnte weder schreien noch vernünftig schlucken, ja mehr noch, dieser Apparat, der ihm da die Kiefer aufsperrte, ließ ihn fast ersticken. Und das bisschen Luft, das in seinen Lungen ankam, war sehr kalt und schmeckte säuerlich.
    Er blinzelte – und begriff endlich, was ihm solche Angst einjagte.
    Diese graue Kreatur.
    Ihm gegenüber, direkt vor seiner Nase, starrte ihn hinter einer bläulich schimmernden Scheibe eine Höllenfratze an, mit Schläuchen in den aufgeblähten Nasenlöchern und runden Gummipfropfen an den kahl geschorenen Schläfen. Dort, wo bei einem normalen Menschen der Mund saß, hatte dieses grauhäutige Monster etwas, das wie das Visier eines Hockeyhelms aussah. Unter diesem Ding quollen ein blauer gerippter Schlauch und zwei rote, schmalere Schläuche hervor. Auf dem Kopf trug es eine halb transparente Haube, ähnlich der, die Frauen beim Duschen benutzen, um ihre Frisur zu schonen. Selbst die Augen waren nicht verschont geblieben: Von der breiten weichen Bandage, die die Duschhaube in der Stirn hielt, lief zu jedem Auge ein feiner rosafarbener Faden. Über diesen glitten kaum erkennbare Tropfen einer unbekannten Flüssigkeit.
    Als die Augen blinzelten, musste der Mann jedoch der Wahrheit ins Gesicht sehen: Er hatte sein eigenes Spiegelbild vor sich. Sein Hirn versuchte, die in ihm aufsteigende Panik zu unterdrücken und sich ganz auf seinen Körper zu konzentrieren. Arme und Beine schienen noch dran zu sein. Er lag auf dem Rücken und konnte sich kaum rühren. Den Kopf hielt irgendeine Vorrichtung auf die rechte Seite gedreht. Bei der Scheibe handelte es sich allerdings nicht um einen Spiegel, sondern um ein schmales Fenster. In seinem Rücken brannte eine Lampe mit mattem Licht, hinter dem Fenster war alles dunkel, weshalb er sich überhaupt sehen konnte: die im Schock weit aufgerissenen Augen, die Schweißtropfen auf der Stirn, den elastischen Verband um sie herum, die pulsierende Halsschlagader.
    Sobald er versuchte, die Finger zu bewegen, machte er weitere Entdeckungen. Wenn er mit dem Zeigefinger auf einen Knopf drückte – den er nicht sah! –, leuchteten vor ihm im unteren Teil des Fensters grüne Buchstaben und Ziffern auf. Obwohl es lateinische Buchstaben waren, konnte er sie problemlos lesen. Einige Ziffern veränderten sich ständig, andere blieben konstant. Blutdruck , Puls , Atemfrequenz … Manche Wörter konnte er zwar lesen, verstand aber ihre Bedeutung nicht, zum Beispiel Leukozyten . Insgesamt gab es sechzehn Messwerte. Er riss sich von der Betrachtung der grünen Anzeigetafel los. Mittlerweile war ihm auch klar geworden, dass er gar nicht so gierig Sauerstoff einatmen musste, denn die Apparatur, die ihn gefangen hielt, pumpte genügend Luft in ihn hinein. Daraufhin hielt er die Luft an. Die nächsten Sekunden geschah nichts, dann klickte es und über den grünen Buchstaben erschienen rote: Kontrollierte, vollständige mechanische Ventilation. Beginn in fünf Sekunden .
    Noch ehe diese Drohung wahr gemacht wurde, atmete er freiwillig weiter. Sofort verschwanden die roten Buchstaben wieder. Gut! Abgesehen davon drohte ihm dieses Drecksding ja damit, sein Leben zu erhalten, nicht, ihn umzubringen. Ob ich einen Unfall gehabt habe, überlegte er, und man mich danach auf die Intensivstation gebracht hat?
    Daraufhin bewegte er ganz sacht den Mittelfinger. Ein neues Bild baute sich auf: Muskeltraining. Belastung: 4; Dauer: 120 min. Bitte andere Einstellungen wählen .
    Kaum drückte er die Kuppe des Ringfingers nach unten, wechselten die Parameter erneut. Reaktantentemperatur, Geschwindigkeit der Projektorzirkulation, Druckkraft … O nein, das konnte auf keinen Fall eine Intensivstation sein. Hier ging es um mehr als Reanimation. Denn wann hätte es das je gegeben, dass der Patient selbst die Werte eingab, die für seine Lebenserhaltung nötig waren?
    Immerhin konnte er noch klar denken! Und nicht mal lange Wörter bereiteten ihm Schwierigkeiten. Da es ihm obendrein möglich war, sogar aus diesem engen Sarg heraus Befehle zu erteilen, bestand eine echte Chance, sich ganz aus ihm zu befreien. Er drehte sich ein wenig in der Hüfte, um herauszufinden, ob er etwas anhatte.

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