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Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Titel: Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vitali Sertakov
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kratzte in seiner Kehle, als hätte er sich gerade eben bei einem Fußballspiel die Seele aus dem Leib geschrien. Sicher eine Nachwirkung des Reaktanten, überlegte er. Im Spind hing Kleidung, aber ein Handgriff genügte, um zu wissen: Hier würde er sich keine neue Garderobe zusammenstellen können. Die hellblauen Jeans waren an den Knickstellen völlig durchgescheuert und lösten sich in ihre Bestandteile auf, sobald er sie an sich nehmen wollte. Der Wollpulli zerfiel bei der ersten Berührung zu Staub. Eigentlich war das auch schon gar kein Pullover mehr, sondern ein Massengrab für Motten. Am Spindboden standen vier Schuhe. Bei einem Paar handelte es sich um verdreckte Turnschuhe mit etlichen Rissen. Als er es herausholte, blieb die morsche Sohle am Boden zurück. Das andere Paar – Gummistiefel, die zum ABC -Schutzanzug gehörten – machte schon einen besseren Eindruck. Nachdem er die Reste der vergammelten Einlegesohle herausgeschüttelt hatte, zog er sie an.
    Bevor er den Duschraum betrat, betätigte seine Hand automatisch den Schalter gleich neben der Tür. Nichts. Das spärliche Licht vom Gang reichte natürlich nicht bis hier rein. Immerhin ragte aber auch hier unter der Decke ein Fenster in den Raum – in dem etwas zu liegen schien.
    Oder jemand. Sein Herz raste mit mindestens hundert Schlägen pro Minute. Er könnte jetzt einfach die Tür wieder schließen und weggehen. Und weiter mit dieser Angst leben …
    Zum Glück war niemand auf die Idee gekommen, den Ausschnitt des Fensters dick mit Farbe zuzupinseln. Kowal wagte sich vorsichtig weiter vor. Obwohl er nun wesentlich fester auftrat, hätte er sich am liebsten auf den Boden gesetzt und erst mal tief durchgeatmet, denn noch immer bereitete ihm selbst die kleinste Bewegung größte Mühe. Garantiert habe ich mir eine Infektion eingefangen, dachte er, während er die zweite Leiche betrachtete. Sonst würde ich doch nicht bei jedem Schritt keuchen. Und es muss enorm viel Zeit vergangen sein, bestimmt zehn Jahre oder so. Ich vermute, alle meine Kollegen sind von einer Krankheit dahingerafft worden, deshalb hat man das Institut auch unter Quarantäne gestellt und sämtliche Türen verrammelt. Nur haben die mich versehentlich vergessen. Und ich kann mich an nichts mehr erinnern, weil diese Krankheit mein Hirn zerstört hat.
    Der zweite Tote sah nicht viel besser aus als der erste. Der Mann trug einen weißen Overall aus festem, strapazierfähigem Material. Seinen eingeschrumpelten Kopf bedeckte solch eine transparente Haube, wie Kowal sie in der Kapsel gelassen hatte. Der Tote saß mit einer Spritze in der Hand in Denkerpose da, den Rücken gegen eine Tür gelehnt, auf der eine kaum erkennbare Aufschrift prangte: Desinfektionsraum . Hinter dieser Tür stieß Kowal auf den ersten brauchbaren Fund: eine ganze Kleiderstange voll von weißen Overalls, wie auch der Tote einen anhatte. Er nahm gleich mehrere von der Stange, um jeden einzelnen gegen das spärliche Licht zu halten und seine Entscheidung zu treffen. Der Anzug, auf dessen Brusttasche der Name Kowal gestickt war, dürfte genau seine Größe haben. Das Ding roch zwar ziemlich muffig und auch ein bisschen nach Mäusen, außerdem blätterte ein verkrustetes, dreckig-weißes Pulver in ganzen Brocken von ihm ab, im Großen und Ganzen stellte es ihn jedoch zufrieden. Unter dem Nachnamen stand in kleinerer Schrift auch der Vorname. Um sich ja nicht zu verlesen, kehrte er in den großen Raum zurück, in dem es etwas heller war.
    »Ich heiße Artur Kowal«, erklärte er der Leere um sich herum mit fast brechender Stimme.
    Schon diese paar Wörter reichten, dass er wieder krächzte und ihm die Stimmbänder endgültig versagten. Daraufhin kehrte er noch mal in den Duschraum zurück, trat in eine Kabine und drehte den Hahn auf. Etwas knisterte – und er hielt die Mischbatterie samt Stange in der Hand. Okay, verschieben wir also den Traum von Körperreinigung auf bessere Zeiten. Begnügen wir uns damit, nicht mehr nackt durch die Gegend zu laufen …
    Nachdem er sich angezogen hatte, ging er wieder in den Gang und betrachtete nachdenklich die Leiche des Kontrollpostens. Mit der Schuhspitze fuhr er über den gelben Overall. Alles in ihm sträubte sich dagegen, den Toten auf den Rücken zu drehen. Nach gut einer Minute stieg er die paar Stufen zu dem Glaskabäuschen hinauf, in dem der Computer stand. Den feuchten Betonboden hatte ein Teppich aus weißlichem Moos erobert, irgendwo tropfte in langsamem Takt

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