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Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Titel: Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vitali Sertakov
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Augenhöhlen in den Himmel hoch. Die Knochen interessierten ihn jedoch nicht, davon hatte er schon zu viele gesehen, als dass er ihnen über Gebühr Aufmerksamkeit schenkte. Er zupfte sich den Bart und grübelte darüber nach, wer diese Pfade in dem Farnmeer angelegt haben mochte.
    Dass die Straße zugewachsen sein würde, hatte ihm schon Christian, Ismails Bruder, gesagt. Der alte Hüter hatte sein Wort gehalten und ihn, Artur, zu seinem mysteriösen Verwandten gebracht. Kowal hatte erwartet, einem mürrischen Eremiten zu begegnen, dann aber stand er einem kräftigen lächelnden Mann gegenüber, der rund zwanzig Jahre jünger war als sein älterer Bruder, also etwa fünfzig. Er lebte mit seiner Familie auch nicht in einer Erdhütte, sondern in einem netten Ziegelhaus inmitten eines Dorfes von ähnlichen aufgegebenen Häusern. Christian hatte sie zum Essen eingeladen und sich sehr über das Pferd gefreut, das sie ihm mitgebracht hatten. Ismail hoffte anscheinend darauf, dass Kowal wenigstens eine Art von Prophezeiung mit auf den Weg bekam, aber Christian schwieg sich aus. Als der alte Wipper ihnen zuwinkte und auf Malwina davonflog, begriff Artur, dass Christians Lächeln nur eine Maske war, wenn auch eine, die inzwischen mit seinem Gesicht verwachsen war. Im Laufe des Abends hatte der Mann nur wenige Worte herausgebracht. Und auch als sie beide nun allein waren, brummte er bloß: »Die Menschen sind böse. Wenn du Beistand brauchst, wähle das kleinere Übel …« Danach hatte er auf dem Absatz kehrtgemacht und war im Haus verschwunden.
    Artur sah zu dem verrosteten Wetterhahn auf dem Dach hoch und begriff, dass er von Christian nicht mehr zu hören bekäme. Während er darüber nachgrübelte, was diese Worte wohl zu bedeuten hatten, stieg er auf sein Pferd, verließ das Dorf, ritt etliche Stunden an einem Fluss entlang und stieß schließlich auf die Brandstätte. Sein innerer Kompass täuschte ihn nie. Der Wald hatte endgültig die Straße nach Moskau erobert. Er hätte versuchen können, die Brandstätte zu umrunden, was allerdings einen Umweg von hundert Kilometern bedeutet hätte. Deshalb blieb er stur auf seinem Weg. Außerdem hatte er nicht die geringste Lust, in das Seengebiet vorzustoßen. Oder zu den östlichen Wäldern, die er für noch gefährlicher als die Seen hielt, weil es dort von Wilden nur so wimmelte.
    Als er nach dem Blick durchs Fernrohr weiterritt, zeigte das bepackte Pferd keinerlei Anzeichen von Panik. Irgendwann verschwand der flammende Wald hinterm Horizont. Artur lauschte auf das zärtliche Murmeln des Windes, lauschte in sich hinein – verstand jedoch nicht, woher dieser unklare nagende Schmerz in ihm kam. Um ihn herum war alles still. Weder Insekten noch Vögel wurden durch das Hufgetrappel aufgeschreckt. Manchmal stand der Farn so hoch, dass er fast bis an die Zügel reichte. An lichteren Stellen sah Artur, dass das Pferd nicht über kahlen Boden trabte, sondern über einen federnden Belag aus silbrigem Moos. Hin und wieder wechselte er ein paar Worte mit den anderen Mitgliedern seiner Truppe. Die Bienen sorgten sich um nichts, ihr kollektiver Verstand war mit der Auflösung eines großen Stücks Rübenzuckers beschäftigt, die beiden Fleder in den Satteltaschen waren dagegen eindeutig nervös. Und je weiter er in die unerbittliche graue Wüste vordrang, desto unruhiger wurden sie.
    Trotzdem behielt Kowal die Richtung bei, erlaubte es seinem Pferd nicht, vom Pfad abzuweichen. Irgendwann umrundete er eine Insel erkrankter, ebenfalls von einem gelben Spinnennetz überzogener Bäume und bemerkte vor sich eine Lichtung. Auf ihr wuchsen riesige bärtige Pilze. Mit einem Mal blieb das Pferd wie angewurzelt stehen, wieherte und weigerte sich strikt, sich diesen Giftdingern mehr als zehn Meter zu nähern.
    So wich er doch einmal vom Pfad ab. Als er ihn danach wieder erreichte, setzte er abermals das Fernrohr an. Er stieß einen Pfiff aus. Es konnte kein Zweifel bestehen: Hier verlief eine Straße. Der Asphalt, der früher von Grün überwuchert worden war, hatte sich wieder freigekämpft. Ein beachtlicher Teil der Straße bestand aus Asphaltplatten, denen selbst in hundert Jahren keine Pflanze etwas hatte anhaben können. Er hielt darauf zu. Doch selbst jetzt, wo er sozusagen freie Bahn hatte, wich das mulmige Gefühl nicht. Die Sonne würde bald untergehen – und nach wie vor erstreckte sich diese schreckliche graue, von gelben Höckern durchzogene Wüste vor ihm.
    Er fuhr herum. Nichts

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