Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
Schulterstücken. »Wer von diesen Leuten bekleidet einen Regierungsposten? Du hast gesehen, was geschieht, wenn man versucht, mich übers Ohr zu hauen. Also antworte, sonst sterben Unschuldige! Und dafür möchtest du ja wohl nicht die Verantwortung übernehmen, oder?«
»Die Sumpfluchse sind müde«, teilte Christoph völlig zusammenhanglos mit. Trotzdem war es der erste halbwegs sinnvolle Satz, den dieser Junge von sich gab, seit Artur ihn kannte. Denn er hatte ja recht. Die Sumpfluchse ließen sich immer schwerer unter Kontrolle halten, sie hatten Angst vorm Feuer, vor den Menschen, ja sogar vor den Gerüchen, die sie umgaben.
»Und wie müde die sind!«, stimmte Kowal dem Jungen zu. »Ich warte auf eine Antwort, Oberst!«
»Lass ihn zufrieden«, sagte Arinas Mann da und trat vor. »Mir untersteht die Kammer für Brennstoffbeschaffung. Mein Bruder«, er deutete mit einem Kopfnicken auf den Mann neben sich, »hat die Aufsicht über die Straßenarbeiter. Und unser Neffe hier, Georgi, befehligt die Metroleute. Sonst bekleidet niemand ein offizielles Amt. Die anderen Familienmitglieder haben mit den Regierungsgeschäften nichts zu tun. Es steht dir natürlich frei, uns umzubringen. In dem Fall verschone jedoch wenigstens die Kinder.«
Artur hatte fast den Eindruck, der Sohn des Gouverneurs sei stolz darauf, sich vor den Augen der Frauen als derart beherzter Mann gezeigt zu haben.
»Oberst!«, wandte Kowal sich erneut an den Chef der Leibgarde. »Befiehl deinen Soldaten, die Leute über diese Hintertreppe hinauszubringen. Unten in der Garage sitzt ein Sumpfluchs, aber er wird niemandem etwas tun, dafür sorge ich schon. Sie sollen alle in die Duma gebracht werden. Wenn du es wagen solltest, mir den Gehorsam zu verweigern, seid ihr tot!«
Kowal war fix und fertig. Es hatte ihn seine ganze Kraft gekostet, die Sumpfluchse daran zu hindern, sich in den Kampf einzumischen, und die Hunde nach der Palasterstürmung dazu zu bringen, wieder zum andern Ufer der Newa zurückzuschwimmen. Und noch immer spürte er den Schmerz ihrer Wunden, ihre lodernde Kampfbereitschaft in jeder Zelle seines Körpers.
»Ohne ihn werde ich nirgendwohin gehen!«, erklärte Arina kategorisch und schmiegte sich an ihren Mann.
»Wie du willst!«, erwiderte Kowal. Dann fiel sein Blick auf Christoph, der schon wieder irgendwas kaute. »Du hast es offenbar auch nicht gerade eilig, von hier wegzukommen, wie?«
Der alte Mann mit Schnurrbart und den hervorquellenden Augen lag im Bett und sah wirklich krank aus. Allerdings, das begriff Kowal mit einem Blick, hatte der Gouverneur lediglich einen nächtlichen Anfall gehabt, eine harmlose Sache im Grunde, um die dennoch viel Trara gemacht wurde und die so strikter Geheimhaltung unterlag, dass außer seinen nächsten Angehörigen niemand davon wusste. In einer Stunde würde der Mann wieder bei Kräften sein. Verrunzelte Würmer wie der, ging es Artur durch den Kopf, werden doch uralt, egal wie krank ihr Herz oder was sonst auch immer ist.
»Helft ihm hoch!«, befahl Kowal. »Und dann im Laufschritt Abmarsch nach unten. Sollte irgendjemand auf die Idee kommen, mich von hinten zu stoßen, sollte er sich besser gleich selbst das Leben nehmen. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«
»Wohin fahren wir?«, fragte einer der drei Söhne des Gouverneurs, der sich innerlich schon auf seinen Tod vorbereitete.
»Wir? Ebenfalls in die Duma«, antwortete Artur, während er die Privatkutsche des Gouverneurs bestieg. Motorisierten Fuhrwerken vertraute er immer weniger. »Man erwartet uns da nämlich schon.«
»Was hast du vor, Schmied?«, fragte Arina und durchbohrte ihn mit ihrem Blick. »Du brauchst uns doch gar nicht …«
»O doch. Und dich vor allen anderen. Du könntest mir nämlich verraten, wo er ist.«
Das Hufgetrappel hämmerte auf das nächtliche Pflaster ein. In der Stadt war man inzwischen auf das Feuer aufmerksam geworden, hier und da schlugen Glocken Alarm, und ihnen kamen einige Kutschen voller Menschen mit Feuerwehrhaken und ähnlichen Werkzeugen entgegen.
»Er hat die Stadt verlassen, zusammen mit seinen Maskenmännern. Ich glaube, er hält sich westlich des Alexander-Newski-Klosters auf, aber sicher bin ich mir nicht …«
»Du sorgst jetzt auf der Stelle dafür, dass er zurückkommt!«
Arina blickte ihren Mann an.
»Hast du etwa Angst vor ihm, Arina Rubens? Ich habe dich ganz anders in Erinnerung. Was ist bloß aus dir geworden, Frau?«
Arina starrte nur schweigend zum Fenster
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