Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
Bodenfliesen glühten und die Sohlen ihrer Stiefel schmauchten.
»Hier ist niemand!«
»Die sind wieder abgezogen!«
»Die Biester haben Angst vor Feuer!«, riefen nun auch andere.
O nein, diese Hunde haben vor nichts Angst, dachte der Oberst. Im Unterschied zu diesen Grünschnäbeln hatte er schon in jenen Jahren gegen Bullterrier gekämpft, als sie sich noch mitten im Zentrum Piters auf Menschen gestürzt hatten. Und als er noch ein Kind gewesen war, da waren Tausende von Ratten aus der Stadt geflohen, um sich vor den Hunden in Sicherheit zu bringen. Wenn die Hunde heute nicht mehr über die Städter herfielen, war das mit Sicherheit nicht das Verdienst dieser Kirchenleute, selbst wenn die sich in ihren Gottesdiensten dessen ständig rühmten. Nein, der Grund war vielmehr, dass irgendwann die alte Chemie aus dem Fluss verschwunden und der Wald wieder sauber war. Seitdem fanden die Tiere außerhalb der Stadt wieder Futter, wenn auch noch nicht sehr viel. Das Zentrum Piters hatten sie also freiwillig verlassen – und das, was in dieser Nacht geschah, hatte nicht das Geringste mit persönlicher Rache zu tun. So sah es jedenfalls der Oberst.
»Ruhe jetzt!«, verlangte er. Aber Gehorsam durfte er in dieser Situation nicht erwarten. »Haltet verdammt noch mal endlich den Mund!«
Das wirkte. Mehr noch, die Soldaten hielten sogar die Luft an. In der eingetretenen Stille war nur das gleichmäßige Heulen der heraufdringenden Flammen und das Knallen explodierender Flaschen unten in der Küche zu hören. Aber kein Gebell, keine Schreie …
»Herr Oberst!«, sagte einer der Soldaten schüchtern. »Sollen wir wirklich durch die Garage gehen, wenn der Haupteingang sauber ist?«
»Halt den Mund!«, zischte der Oberst.
Die Familie des Gouverneurs drückte sich noch immer an der Tür herum, wagte es nicht, die Treppe nach unten zu nehmen. Vor der Gruppe halb nackter Frauen hob sich eine schlanke Figur im Kettenhemd ab.
»Hörst du das auch, Herrin?«, flüsterte der Oberst. Die Schwiegertochter des Gouverneurs und er standen dicht nebeneinander. Beide starrten zu der dunklen verrauchten Haupttreppe hinüber, über die jetzt die ersten Flammenzungen hochzüngelten.
»Befiehl ihnen, die Waffen wegzuschmeißen«, sagte Arina leise. »Sofort. Die helfen uns hier ganz bestimmt nicht weiter. Eher im Gegenteil …«
Die Hunde hatten das Haus verlassen, in dem riesigen Palast waren nur Berge von Leichen zurückgeblieben. Und ein Häuflein zu Tode erschreckter Menschen. Diejenigen, die noch gestern Abend die oberste Macht repräsentiert hatten.
Der Oberst ahnte jedoch, dass ihnen das Schlimmste noch bevorstand.
Und sein Instinkt hatte ihn noch nie getrogen.
(40)
GESETZ UND GERECHTIGKEIT
Nun hörten es auch die Soldaten. Durch das brennende Haus tapsten nackte Füße über die Vordertreppe zu ihnen nach oben. Als Erstes erreichte sie ein hochgewachsener unrasierter Mann. Seine dunkelblonden Haare waren in zwei ordentlichen Zöpfen um die gebräunte Stirn gelegt. Feine Fältchen durchzogen die Winkel seiner grauen Augen. Der nächtliche Besucher trug eine dicke Stoffjacke mit zahlreichen aufgesetzten Taschen und breiten umgeschlagenen Manschetten sowie Lederhosen, die etwas unterhalb der Knie endeten. Aus einer Scheide über seiner Schulter ragte der Griff eines Dolchs heraus, an seinem Gürtel hingen zwei Messer. Aber der Mann machte keine Anstalten, die Waffen zu ziehen.
Denn die entscheidende Waffe stellte er selbst dar.
Hinter ihm kamen im Rauch schnaubend vier Sumpfluchse die Treppe hoch. In seiner Jugend war der Oberst mit solchen Tieren auf Patrouille gegangen. Solange sie genug zu essen bekamen, gehorchten sie – aber selbst derjenige, der ihnen das Fleisch zuwarf, hätte es nie gewagt, ihnen den Rücken zuzudrehen. Und solche kräftigen Biester hatte der Oberst noch nie gesehen …
Die Sumpfluchse linsten die Soldaten gleichgültig an und putzten sich das Fell. Der Mann schritt über einen Berg von Waffen und warf einen flüchtigen Blick auf die Soldaten, die sich gegen die Wand pressten.
»Guten Tag, Herrin.«
»Guten Tag, Schmied.«
»Freut mich, dass du wieder gesund bist.«
»Ich hätte nicht geglaubt, dass du noch am Leben bist.«
Kowal umrundete Arina und hielt auf die Gruppe von Menschen zu, die sich vor der Brandschutztür herumdrückte. Die Männer hatten sich tapfer vor die Frauen gestellt. Die Sumpfluchse beendeten ihre Toilette und folgten ihrem Herrn auf dem Fuße. In der Menge ließen sich
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