Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Wolken und Nebel durchdringen, um sich auf die Bäuche von japanischen Truppentransportern zu richten, die mit Treibstoff aus Nordborneo schwanger sind und unter glühend heißem Dampf stehen.

Rammen
    »Sir! Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, wo wir hinfahren, Sir!«
    Lieutenant Monkberg stößt einen tiefen, zitternden Seufzer aus und sein Brustkasten bebt wie eine Blechhütte in einem Wirbelsturm. Er vollführt einen nicht allzu zackigen Liegestütz. Da seine Hände auf dem Rand liegen, befördert die Übung seinen Kopf aus der Schüssel einer Toilette – oder »Pütz«, wie das in diesem Ambiente, einem beunruhigend heruntergekommenen Frachter, heißt. Monkberg reißt einen Streifen scheuerndes europäisches Klopapier ab und wischt sich den Mund, ehe er zu Sergeant Robert Shaftoe aufblickt, der sich in der Luke abstützt.
    Und Shaftoe muss sich kräftig abstützen, denn er trägt fast sein Körpergewicht an Ausrüstung mit sich. Aufmerksamerweise hat man das Ganze vorgepackt an ihn ausgegeben.
    Er hätte es so lassen können. Aber so verhält sich ein Eagle Scout nicht. Bobby Shaftoe ist alles durchgegangen und hat es ausgepackt, auf Deck ausgebreitet, überprüft und neu gepackt.
    Das hat ihn in die Lage versetzt, ein paar weiter reichende Schlussfolgerungen zu ziehen. Insbesondere hat er den Schluss gezogen, dass die Männer von Abteilung 2702 sich in den nächsten drei Wochen nach Kräften bemühen sollen, nicht zu erfrieren. Zwischendurch sollen sie versuchen, eine Menge schwer bewaffneter Scheißkerle umzubringen. Deutsche, höchstwahrscheinlich.
    »N-N-N-Norwegen«, sagt Lieutenant Monkberg. Er sieht so elend aus, dass Shaftoe erwägt, ihm M-M-M-Morphium anzubieten, das zwar auch leichte Übelkeit hervorruft, aber die größere Übelkeit der Seekrankheit in Schach hält. Dann kommt er zur Besinnung, macht sich klar, dass Lieutenant Monkberg ein Offizier ist, dessen Pflicht darin besteht, ihn in den Tod zu schicken, und beschließt, dass der andere ihn kreuzweise am Arsch lecken kann.
    »Sir! Welcher Art ist unser Einsatz in Norwegen, Sir?«
    Monkberg entfährt ein rasselnder Rülpser. »Rammen und abhauen«, sagt er.
    »Sir! Was rammen, Sir?«
    »Norwegen.«
    »Sir! Wohin abhauen, Sir?«
    »Schweden.«
    Das gefällt Shaftoe. Die gefährliche Seefahrt durch von Unterseebooten wimmelnde Gewässer, der Schiffbruch in Norwegen, die verzweifelte Flucht durch eisiges, von den Nazis besetztes Gebiet, das alles erscheint ihm belanglos, verglichen mit dem leuchtenden Ziel, einen Blick in der Welt größtes und reinstes Reservoir authentischer schwedischer Mösen zu tun.
    »Shaftoe! Aufwachen!«
    »Sir! Jawohl, Sir!«
    »Sie haben sicher bemerkt, wie wir angezogen sind.« Monkberg spricht davon, dass sie ihre Hundemarken abgelegt haben und allesamt Zivil- oder Handelsmarinekleidung tragen.
    »Sir! Jawohl, Sir!«
    »Wir wollen nicht, dass die Hunnen oder sonstwer mitkriegen, wer wir wirklich sind.«
    »Sir! Jawohl, Sir!«
    »Nun fragen Sie sich vielleicht, wieso wir, wo wir doch wie Zivilisten aussehen sollen, Maschinenpistolen, Granaten, Sprengkörper und so weiter tragen.«
    »Sir! Das wäre meine nächste Frage gewesen, Sir!«
    »Tja, dafür haben wir uns eine Tarngeschichte ausgedacht. Kommen Sie mit.«
    Monkberg sieht ganz plötzlich begeistert aus. Er rappelt sich auf und führt Shaftoe über diverse Gänge und Treppen zum Laderaum des Frachters. »Kennen Sie die anderen Schiffe?«
    Shaftoe macht ein verständnisloses Gesicht.
    »Die anderen Schiffe um uns herum? Wir sind mitten in einem Geleitzug, wissen Sie.«
    »Sir, jawohl, Sir!«, sagt Shaftoe, nicht mehr ganz so sicher. Keiner der Männer war viel an Deck, seit sie vor Stunden via Unterseeboot auf diesem rollenden Wrack abgeliefert worden sind. Und selbst wenn sie hinaufgegangen wären und sich umgeschaut hätten, hätten sie nichts als Dunkelheit und Nebel gesehen.
    »In einem Geleitzug nach Murmansk«, fährt Monkberg fort. »Alle diese Schiffe liefern Waffen und Nachschub an die Sowjetunion. Verstehen Sie?«
    Sie haben den Laderaum erreicht. Monkberg schaltet eine Deckenlampe an und man sieht – Kisten. Unmengen von Kisten.
    »Voller Waffen«, sagt Monkberg, »darunter Machinenpistolen, Granaten, Sprengladungen und so weiter. Sie verstehen, worauf ich hinauswill?«
    »Sir, nein, Sir! Ich verstehe nicht, worauf der Lieutenant hinauswill!«
    Monkberg kommt einen Schritt näher auf ihn zu. Beunruhigend nahe. Er schlägt einen

Weitere Kostenlose Bücher