Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
dieses Sinnes und beginnt sie mit Hilfe des Einmalblocks zu verschlüsseln, den er mit Chattan teilt.
    »Alles in Ordnung?«
    Waterhouse fährt hoch und wirbelt mit hämmerndem Herzen herum.
    Es ist Margaret, eingehüllt in den Dampf ihres eigenen Atems, einen grauen Wollmantel über ihre Dienstmädchenkluft geworfen, in den Händen, die in grauen Wollfäustlingen stecken, ein Tablett mit Tee und Buttergebäck. Die einzigen nicht in Wolle gehüllten Körperteile sind ihre Knöchel und ihr Gesicht. Erstere sind wohlgeformt; Margaret scheut sich nicht, hohe Absätze zu tragen. Letzteres war niemals direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt und lässt an mit Rosenblättern bestreute Dickmilch aus Devonshire denken.
    »Oh! Darf ich Ihnen das abnehmen?«, sprudelt Waterhouse hervor und stürzt mit einer Fahrigkeit vorwärts, die sich einer Mischung aus Leidenschaft und Unterkühlung verdankt. Als er ihr das Tablett abnimmt, zieht er ihr versehentlich einen Fäustling aus, der auf den Boden fällt. »Verzeihung!«, sagt Waterhouse, während ihm aufgeht, dass er noch nie ihre Hände gesehen hat. Sie hat roten Lack auf den Nägeln der entwürdigten Hand, die sie nun über ihren Mund wölbt, um darauf zu blasen. Ihre großen grünen Augen sehen ihn voll gelassener Erwartungsfreude an.
    »Wie meinten Sie eben?«, fragt Waterhouse.
    »Ist alles in Ordnung?«, wiederholt Margaret.
    »Ja! Warum denn nicht?«
    »Die Antenne«, sagt Margaret. »Sie hat sich seit über einer Stunde nicht bewegt.«
    Waterhouse ist dermaßen durcheinander, dass er sich kaum auf den Beinen halten kann.
    Margaret atmet nach wie vor zwischen ihren lackierten Fingerspitzen hindurch, sodass Waterhouse nur ihre grünen Augen sehen kann, die nun boshaft luchsen und zwinkern. Sie wirft einen kurzen Blick zu seiner Hängematte hin. »Wir haben wohl ein bisschen im Dienst geschlafen, wie?«
    Waterhouses erste Regung ist, es abzustreiten und die Wahrheit zu erklären, nämlich dass er an Sex und Krypto gedacht und vergessen hat, die Antenne zu bewegen. Doch dann geht ihm auf, dass Margaret ihm eine bessere Ausrede geliefert hat. »Ich bekenne mich schuldig«, sagt er. »War gestern Nacht noch spät auf.«
    »Der Tee wird Sie munter halten«, sagt Margaret. Dann kehrt ihr Blick zu der Hängematte zurück. Sie zieht ihren Fäustling wieder an. »Wie ist das eigentlich?«
    »Wie ist was?«
    »In so was zu schlafen. Ist das bequem?«
    »Sehr.«
    »Darf ich mal sehen, wie das ist?«
    »Äh. Na ja, es ist ziemlich schwierig hineinzuklettern – bei der Höhe.«
    »Sie schaffen es doch auch, oder?«, sagt sie tadelnd. Waterhouse spürt, wie er errötet. Margaret geht zu der Hängematte hinüber und schleudert ihre Pumps von sich. Waterhouse zuckt zusammen, als er ihre bloßen Füße auf dem Steinboden sieht, der nicht mehr warm war, seit die Korsaren das Schloss niedergebrannt haben. Auch ihre Zehennägel sind rot lackiert. »Das macht mir nichts aus«, sagt Margaret, »ich bin eine Bauerntochter. Na los, helfen Sie mir mal hoch!«
    Waterhouse hat vollständig eingebüßt, was er je an Kontrolle über die Situation und sich selbst gehabt haben mag. Seine Zunge scheint aus erektilem Gewebe zu bestehen. Und so tapst er zu ihr hinüber, bückt sich und macht mit den Händen eine Räuberleiter. Sie stellt den Fuß darauf, schnellt sich in die Hängematte und verschwindet mit einem Juchzer und einem Kichern in dem unförmigen Nest aus grauen Wolldecken. Die Hängematte schwingt über der Mitte der Kapelle hin und her wie ein Rauchfass, das einen leisen Lavendelduft verströmt. Es schwingt einmal, zweimal. Es schwingt fünfmal, zehnmal, zwanzigmal. Margaret bleibt stumm und rührt sich nicht.Waterhouse steht da, als steckten seine Füße in Mörtel. Zum ersten Mal seit Wochen weiß er nicht genau, was als Nächstes passieren wird, und der Kontrollverlust macht ihn fassungs- und hilflos.
    »Es ist traumhaft«, sagt sie. Träumerisch. Dann endlich rührt sie sich. Waterhouse sieht ihr kleines Gesicht, umrahmt von der grauen Kapuze einer Decke, über den Rand lugen. »Ooh!«, kreischt sie und lässt sich wieder platt auf den Rücken fallen. Die plötzliche Bewegung fügt dem rythmischen Schwingen der Hängematte ein exzentrisches Wackeln hinzu.
    »Was ist los?«, fragt Waterhouse verzweifelt.
    »Ich habe Höhenangst!«, ruft sie aus. »Es tut mir so Leid, Lawrence, ich hätte Ihnen das sagen sollen. Ich darf Sie doch Lawrence nennen?« Sie hört sich an, als wäre sie schrecklich

Weitere Kostenlose Bücher