Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
verschwörerischen Ton an. »Sehen Sie, wir alle gehören einfach zur Crew dieses Handelsschiffes auf der Fahrt nach Murmansk. Es wird neblig. Wir werden von unserem Geleitzug getrennt. Dann plötzlich, wumm! Wir knallen gegen Scheißnorwegen.Wir sitzen auf nazibesetztem Gebiet fest. Wir müssen uns nach Schweden durchschlagen! Aber Moment mal, sagen wir uns. Was ist mit all den Deutschen zwischen uns und der schwedischen Grenze? Tja, wir bewaffnen uns mal lieber bis an die Zähne. Und wer ist besser imstande, sich bis an die Zähne zu bewaffnen als die Crew dieses Handelsschiffes, das proppenvoll mit Waffen ist? Also laufen wir in den Laderaum runter, stemmen hastig ein paar Kisten auf und bewaffnen uns.«
    Shaftoe betrachtet die Kisten. Bis jetzt ist keine davon aufgestemmt.
    »Dann«, fährt Monkberg fort, »gehen wir von Bord und machen uns auf den Weg nach Schweden.«
    Es tritt ein langes Schweigen ein. Shaftoe rafft sich schließlich auf, »Sir! Jawohl, Sir«, zu sagen.
    »Also fangen Sie an, aufzustemmen.«
    »Sir! Jawohl, Sir!«
    »Und dass es ja hastig aussieht! Hastig! Auf geht’s! Bewegung!«
    »Sir! Jawohl, Sir!«
    Shaftoe versucht, sich in die Sache hineinzuversetzen.Womit soll er eine Kiste aufstemmen? Kein Stemmeisen in Sicht. Er verlässt den Laderaum und spaziert einen Gang entlang. Monkberg folgt ihm dichtauf, geht ihm nicht von der Pelle, drängt ihn zu mehr Hast: »Sie haben es eilig! Die Nazis sind im Anmarsch! Sie müssen sich bewaffnen! Denken Sie an Frau und Kinder in Glasgow oder Lubbock oder aus welchem Scheißkaff Sie sonst kommen!«
    »Oconomowoc, Wisconsin, Sir!«, sagt Shaftoe indigniert.
    »Nein, nein! Nicht im wirklichen Leben! In Ihrer angenommenen Rolle als armes Schwein von der Handelsmarine, das hier gestrandet ist! Da, Shaftoe! Schauen Sie! Die Rettung ist nah!«
    Shaftoe dreht sich zu Monkberg um, der auf einen Spind mit der Aufschrift FEUER zeigt.
    Shaftoe zieht die Tür auf und findet neben anderen Geräten eine jener riesigen Äxte, wie sie Feuerwehrleute ständig in brennende Gebäude und aus ihnen heraus schleppen.
    Dreißig Sekunden später ist er wieder im Laderaum und schlägt wie ein Holzfäller auf eine Kiste mit 45er-Munition ein. »Schneller! Nicht so sauber!« brüllt Monkberg. »Das ist keine präzise Operation, Shaftoe! Sie sind in blinder Panik!« Dann sagt er, »Verdammt noch mal!«, stürzt vorwärts und nimmt Shaftoe die Axt aus den Händen.
    Monkberg holt wild aus und verfehlt die Kiste komplett, da er sich noch auf das ungeheure Gewicht und die Länge des Werkzeugs einstellen muss. Shaftoe wirft sich zu Boden und rollt sich in Sicherheit. Monkberg bekommt schließlich Reichweite und Azimut hin und trifft die Kiste tatsächlich. Splitter und Späne fliegen über das Deck.
    »Sehen Sie!«, sagt Monkberg und blickt über die Schulter auf Shaftoe, »ich will Splittrigkeit! Ich will Chaos!« Im Reden holt er mit der Axt aus, blickt Shaftoe an und bewegt, weil das Schiff schaukelt, außerdem noch die Füße; infolgedessen verfehlt das Blatt der Waffe die Kiste komplett, schießt über das Ziel hinaus und fährt genau in Monkbergs Fußgelenk.
    »Himmel, Arsch und Zwirn!«, sagt Lieutenant Monkberg in ruhigem Konversationston. Er blickt fasziniert auf sein Fußgelenk hinab. Shaftoe kommt herüber, um festzustellen, was daran so interessant ist.
    Ein großes Stück von Monkbergs Unterschenkel ist sauber quer durchschnitten. Im Strahl von Shaftoes Taschenlampe kann man durchtrennte Blutgefäße und Bänder erkennen, die aus gegenüberliegenden Rändern der Fleischwunde hervorstehen wie gesprengte Brücken und Rohrleitungen, die an den Wänden einer Schlucht herabbaumeln.
    »Sir! Sie sind verwundet, Sir!«, sagt Shaftoe. »Ich hole Lieutenant Root!«
    »Nein! Sie bleiben hier und arbeiten!«, sagt Monkberg. »Root kann ich selber finden.« Er greift mit beiden Händen nach unten und drückt das Fleisch über der Wunde zusammen, sodass Blut hervorquillt und aufs Deck läuft. »Das ist perfekt!«, sagt er sinnend. »Das gibt gleich viel mehr Realismus.«
    Nach mehreren Wiederholungen des Befehls kehrt Shaftoe widerwillig zum Kisten-Zerhacken zurück. Monkberg humpelt und wankt ein paar Minuten im Laderaum herum, blutet alles voll und schleppt sich dann auf der Suche nach Lieutenant Root von dannen. Als Letztes sagt er noch: »Denken Sie dran! Das Ganze soll nach Plünderung aussehen!«
    Aber der Zwischenfall mit der Beinverletzung macht Shaftoe die Idee verständlicher,

Weitere Kostenlose Bücher