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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ihnen das eben demonstrieren dürfte!«, sprudelt Waterhouse hervor und geht aus dem Zimmer, ohne sich die Mühe zu machen zurückzublicken. In die Kirche zurückgekehrt, tritt er an den Spieltisch der Orgel, pustet die Schuppen von den Tasten, betätigt den Hauptschalter. Irgendwo im Gehäuse springen die Elektromotoren an und das Instrument beginnt zu klagen und zu jammern. Egal – das ist alles zu übertönen. Er lässt die Augen über die Reihen der Registerzüge wandern – er weiß schon, worüber die Orgel verfügt, weil er zugehört und dekonstruiert hat. Er beginnt, Züge herauszuziehen.
    Waterhouse wird nun demonstrieren, dass Bach, wenn man die richtige Tonart wählt, selbst auf Mr. Drkhs Orgel gut klingen kann. Father John und Mr. Drkh haben gerade ungefähr die Hälfte des Mittelgangs zurückgelegt, als Waterhouse mit der Toccata und Fuge in d-Moll, dieser ollen Kamelle, loslegt, aber er transponiert sie beim Spielen in cis-Moll, weil sie (einer sehr eleganten Berechnung zufolge, die ihm gerade eingefallen ist, als er das Mittelschiff der Kirche entlangrannte) auf diese Weise gut klingen müsste, wenn man sie in Mr. Drkhs verhunzter Stimmung spielt.
    Die Transposition ist zunächst ein schwieriges Geschäft und er schlägt ein paar falsche Töne an, doch dann fällt sie ihm leichter und er geht mit ungeheurem Schwung und Selbstvertrauen von der Toccata zur Fuge über. Staubwolken und Mäusedrecksalven schießen aus den Pfeifen, als Waterhouse ganze Reihen einbezieht, die seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden sind.Viele davon sind große, laute Zungenregister, die schwierig zu stimmen sind.Waterhouse spürt, wie das Gebläse sich müht, diesem noch nie da gewesenen Verlangen nach Kraft zu genügen. Ein strahlender Glanz durchdringt die Empore, während der aus den verstopften Pfeifen geschleuderte Staub die Luft erfüllt und das Licht einfängt, das durch die Rosette dringt. Waterhouse verhaut sich bei einer Pedalphrase, schleudert zornig seine schrecklichen Schuhe von sich und beginnt die Pedale so zu treten, wie er es damals in Virginia getan hat, mit bloßen Füßen, sodass die Kurve der Bassstimme in Linien von Blut aus seinen geplatzten Blasen auf die Holzpedale gezeichnet wird. Das Ding hat ein paar mordsmäßige, zehn Meter lange Zungenregister bei den Pedalen, richtige Erderschütterer, die wahrscheinlich eigens dort angebracht wurden, um die Outer-Qwghlmianer auf der anderen Straßenseite zu ärgern. Keiner der Menschen, die hier zur Kirche gehen, hat diese Register jemals in Aktion treten hören, doch Waterhouse führt sie nun einer sinnvollen Verwendung zu und feuert gewaltige Akkorde ab, wie Salven aus den mächtigen Geschützen des Schlachtschiffes Iowa.
    Während des gesamten Gottesdienstes, während der Predigt, der Schriftlesung und der Gebete, hat er, wenn er nicht gerade daran dachte, Mary zu vögeln, daran gedacht, wie er diese Orgel reparieren würde. Er hat an die Orgel zurückgedacht, an der er in Virginia gearbeitet hat: wie die Registerzüge die Luft in die verschiedenen Reihen von Pfeifen leiteten und wie die Tasten der Klaviaturen alle mit Luft versorgten Pfeifen aktivierten. Er hat ein genaues Vorstellungsbild von dieser Orgel gewonnen, und während er sich dem Ende der Phrase entgegenhämmert, löst sich seine Schädeldecke, das eingesickerte rote Licht strömt herein und er sieht im Kopf das gesamte Instrument, gleichsam wie im explodierten Aufriss eines Zeichners. Dann verwandelt es sich in eine etwas andere Maschine – eine Orgel, die elektrisch betrieben wird, mit Reihen von Vakuumröhren hier und einem Gitter von Relais dort. Nun weiß er die Antwort auf Turings Frage, die Frage nämlich, wie man ein Muster aus binären Daten so in den Schaltkreisen einer Denkmaschine begraben kann, dass es sich später wieder exhumieren lässt.
    Waterhouse weiß, wie man ein elektrisches Gedächtnis herstellt. Er muss sofort einen Brief an Alan schreiben!
    »Verzeihung«, sagt er und läuft aus der Kirche. Auf dem Weg nach draußen streift er eine kleine junge Frau, die mit offenem Mund seine Darbietung verfolgt hat. Als er schon mehrere Straßen weiter ist, wird ihm zweierlei bewusst: dass er barfuß die Straße entlanggeht und dass die junge Frau Mary cCmndhd ist. Er wird später zurückkehren müssen, seine Schuhe holen und vielleicht Mary vögeln. Aber alles der Reihe nach!

ZUHAUSE
    Randy öffnet die Augen aus einem Albtraum vom Gleiten. Er saß in seinem Auto, fuhr den

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