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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Pacific Coast Highway hinunter, als das Steuerrad nicht mehr richtig funktionierte. Das Auto fing an auszubrechen, erst nach links auf das senkrecht hochragende Kliff zu und dann nach rechts, wo die Küste jäh zu Felsen abfiel, die aus klatschenden Wellen aufragten. Große Felsblöcke rollten unbekümmert über den Highway. Er konnte nicht lenken; die einzige Möglichkeit anzuhalten besteht darin, die Augen aufzumachen.
    Auf einen Schlafsack gebettet, liegt er auf einem Marmorfußboden, der nicht waagerecht ist, weshalb er auch den Gleit-Traum hatte. Der Konflikt zwischen Auge und Innenohr bewirkt, dass sein Körper sich verkrampft und er mit den Armen fuchtelt, um beide Hände flach auf den Fußboden zu stützen.
    In Jeans und barfuß sitzt America Shaftoe im blauen Licht eines Fensters, Haarklemmen zwischen den aufgesprungenen Lippen, und betrachtet ihr Gesicht im gleichschenkligen Dreieck eines Spiegels, dessen skalpellscharfe Kanten die pinkfarbene Haut ihrer Fingerspitzen eindrücken, aber nicht einschneiden. Ein Netz von Bleistegen hängt in dem leeren Fensterrahmen, hier und da stecken noch Rauten von facettiertem Glas in den Zwischenräumen. Randy hebt den Kopf und schaut abwärts, in die Ecke des Zimmers, wo er einen großen Haufen zusammengekehrter Scherben sieht. Er dreht sich auf die andere Seite und schaut zur Tür hinaus über den Flur in das, was früher Charlenes Arbeitszimmer war. Dort teilen sich Robin und Marcus Aurelius Shaftoe jetzt eine Doppelmatratze, neben sich ordentlich auf dem Boden aufgereiht eine Schrotflinte und ein Gewehr, zwei große schwarze Polizeistablampen, eine Bibel und ein Lehrbuch der Infinitesimalrechnung.
    Das während seines Albtraums verspürte panische Gefühl, irgendwohin gehen und irgendetwas tun zu müssen, lässt nach. Hier in diesem zerfallenen Haus zu liegen und zu lauschen, wie Amys Bürste durch ihr Haar zischelt und dabei ein elektrostatisches Knistern erzeugt, beschert ihm einen der ruhigeren Momente der letzten Zeit.
    »Sind Sie so weit, dass wir aufbrechen können?«, fragt Amy.
    Jenseits des Flurs setzt einer der Shaftoe-Jungs sich völlig geräuschlos auf. Der andere schlägt die Augen auf, wirft einen raschen Blick auf Waffen, Lampen und Bibel und entspannt sich wieder.
    »Ich hab draußen im Garten ein Feuer angezündet«, sagt Amy, »und Wasser gekocht. Den Herd zu benutzen, erschien mir zu riskant.«
    In dieser Nacht haben alle in Kleidern geschlafen. Jetzt brauchen sie nur die Schuhe anzuziehen und aus den Fenstern zu pinkeln. Die Shaftoes bewegen sich schneller im Haus als Randy, aber nicht, weil sie sicherer auf den Beinen wären, sondern weil sie dieses Haus nie in waagerechtem und intaktem Zustand gesehen haben. Randy dagegen hat jahrelang darin gewohnt und sein Verstand ist der Meinung, er kenne sich hier aus. Als sie sich am Abend zuvor hinlegten, war seine größte Befürchtung, er könnte mitten in der Nacht schlaftrunken aufwachen und versuchen, nach unten zu gehen. Früher hatte das Haus eine herrliche Wendeltreppe, die jetzt in sich zusammengesunken unten im Keller liegt. Nachdem sie gestern Abend den U-Haul-Möbelwagen auf den Rasen vor dem Haus gefahren und seine Scheinwerfer direkt durch die Fenster (deren Sprünge und Risse und Schliffflächen das Licht wunderbar reflektierten) ins Innere gerichtet hatten, konnten sie ins Kellergeschoss einsteigen, wo sie eine Aluminium-Ausziehleiter fanden, mit deren Hilfe sie ins obere Stockwerk gelangten. Als sie alle oben waren, zogen sie die Leiter wie eine Zugbrücke hoch, sodass, selbst wenn Plünderer unten hereingekommen wären, die Shaftoe-Jungs sie vom oberen Absatz der ehemaligen Wendeltreppe aus mühelos mit den Gewehren hätten abpflücken können (ein Szenario, das Randy letzte Nacht im Dunkeln noch plausibel erschienen war, ihm jetzt dagegen wie die Träumerei eines Provinzburschen vorkam).
    Amy hat ein paar Säulen aus dem Geländer der Veranda in ein hübsches Feuer im Vorgarten verwandelt. Mit wenigen gezielten Tritten bringt sie geschickt einen verbogenen Kochtopf wieder in seine ursprüngliche Form und kocht Haferschleim. Die ShaftoeJungs werfen alles, was noch irgendwie brauchbar aussieht, auf die Ladefläche des U-Haul-Transporters und prüfen den Ölstand in ihrem eigenen frisierten Wagen.
    Charlenes gesamtes Zeug ist jetzt in New Haven. In Dr. G. E. B. Kivistiks Haus, um genau zu sein. Er hat ihr großzügig angeboten, bei ihm zu wohnen, solange sie ein Haus sucht; Randy weiß

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