Cryptonomicon
hinaustreten, hören sie Mrs. McTeague in ihr Zimmer eilen, um ihre Betten abzuziehen und ihre Laken zu inspizieren. Waterhouse lächelt bei dem Gedanken, dass er soeben ungeschoren davongekommen ist; die belastenden, vernichtenden Spuren, die auf seiner Bettwäsche zu finden sind, werden aufgewogen durch die Tatsache, dass er früh aufgestanden und zur Kirche gegangen ist.
Er rechnet mit einer Gebetsgruppe, die sich im Keller eines Kurzwarenladens trifft, aber wie sich herausstellt, sind die Bewohner von Inner Qwghlm in Scharen nach Australien verbannt worden.Viele haben sich in Brisbane niedergelassen. Es ist ihnen gelungen, in der Innenstadt eine United Ecclesiastical Church aus beigefarbenem Sandstein zu errichten. Sie würde groß, wuchtig und beinahe opulent wirken, läge sie nicht genau gegenüber der Universal Ecclesiastical Church, die zweimal so groß ist und aus glattem Kalkstein besteht. Outer-Qwghlmianer, gekleidet in strenges Schwarz und Grau, häufig auch in Marineuniformen, schieben sich die breite, von der Zeit geschwärzte Treppe der Universal Ecclesiastical Church hinauf und drehen gelegentlich die Köpfe, um missbilligende Blicke über die Straße zu werfen, auf die Inner-Qwghlmianer, die der Jahreszeit entsprechend gekleidet sind (in Australien ist es Sommer) oder Army-Uniformen tragen. Waterhouse erkennt, dass der eigentliche Anlass ihres Ärgers der Klang der Musik ist, der aus der United Ecclesiastical Church dringt, wann immer deren rot lackiertes Portal geöffnet wird. Der Chor probt und die Orgel spielt. Aber er hört schon von weitem, dass irgendetwas mit dem Instrument nicht stimmt.
Die inner-qwghlmianischen Frauen in ihren pastellfarbenen Kleidern und hellen Hauben wirken beruhigend. Sie sehen nicht so aus, als brächten sie Menschenopfer dar. Waterhouse versucht, leichtfüßig die Treppe hochzuhüpfen, als ob er wirklich hier sein möchte. Dann fällt ihm ein, dass er ja tatsächlich hier sein möchte, weil das alles Teil seines Plans ist, Mary zu vögeln.
Die Kirchgänger sprechen alle qwghlmianisch, begrüßen einander und bedenken Rod, der offenbar sehr beliebt ist, mit Nettigkeiten. Waterhouse hat keine Ahnung, was sie sagen, und findet es tröstlich zu wissen, dass es den meisten genauso geht. Er schlendert in das Mittelschiff der Kirche und starrt nach vorn zum Altar und dem wunderschön singenden Chor dahinter; dort ist auch Mary, bei den Altstimmen, und übt ihre Pfeifen, die von der Samtstola ihres Chorhemdes reizvoll eingerahmt werden. Über und hinter dem Chor breitet eine große, alte Orgel ihre aus angelaufenen Pfeifen bestehenden Schwingen wie ein ausgestopfter, präparierter Adler, der fünfzig Jahre lang auf einem feuchten Dachboden gestanden hat. Sie keucht und zischt asthmatisch und gibt, wenn bestimmte Register gezogen werden, ein bizarres, misstönendes Dröhnen von sich; das passiert, wenn ein Ventil sich verklemmt, worauf ungewollt Pfeifen mittönen. Damit kennt Waterhouse sich aus.
Ungeachtet der erbärmlichen Orgel ist der Chor großartig und steigert sich zu einem bewegenden, sechsstimmigen Höhepunkt, während Waterhouse das Mittelschiff entlangspaziert und sich fragt, ob seine Erektion zu sehen ist. Durch die Buntglasrosette über den Orgelpfeifen dringt ein Lichtstrahl, der Waterhouse mit seinem farbigen Leuchten fesselt. Vielleicht kommt es ihm auch nur so vor, weil es jetzt keine Unklarheiten mehr für ihn gibt.
Waterhouse wird die Kirchenorgel reparieren. Das Projekt wird sich bestimmt auch auf sein eigenes Instrument günstig auswirken, ein Ein-Pfeifen-Instrument, das ebenso dringend der Aufmerksamkeit bedarf.
Es stellt sich heraus, dass die Inner-Qwghlmianer, wie alle ethnischen Gruppen, die über lange Zeit ständig beschissen werden, eine großartige Musik haben. Mehr noch, sie haben sogar Spaß in der Kirche. Der Geistliche hat tatsächlich Sinn für Humor. Das Ganze ist so erträglich, wie es ein Kirchgang überhaupt nur sein kann. Waterhouse gibt kaum Acht, weil er viel zu schauen hat: zuerst auf Mary, dann auf die Orgel (deren Aufbau er zu ergründen versucht), dann wieder eine Zeit lang auf Mary.
Nach dem Gottesdienst ist er empört und gekränkt, als die maßgeblichen Personen sich unwillig zeigen, ihn, einen völlig Fremden und obendrein einenYankee, Abdeckpaneele abreißen und an der Orgelmechanik herumhantieren zu lassen. Der Geistliche ist ein guter Menschenkenner – für Waterhouses Geschmack ein wenig zu gut. Der Organist (und daher
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