Cryptonomicon
und Geschwindigkeit sorgfältig vermerkt hat, eine Koppelung ihnen annähernd verraten, wo sie sich befinden, sodass sie nachts durch die Palawan Passage laufen oder Westkurs durch das Südchinesische Meer nehmen können, wenn ihnen das vernünftig erscheint. Eigentlich aber hofft er, eine schöne Piratenbucht an der Nordküste von Borneo zu finden, ein nettes Orang-Utan-Weibchen zu heiraten und eine kleine Familie zu gründen.
Die Anzeige des Tiefenmessers trägt eine Beschriftung in jenen altmodischen, gotischen Buchstaben, die es den Nazis so angetan hatten. Messer bedeutet nicht nur Messgerät, sondern auch Schneidewerkzeug. Das Messer sitzt mir an der Kehle. Ich habe den Untergang vor Augen.Wenn einem das Messer an der Kehle sitzt, will man nicht, dass es sich so bewegt, wie sich die Nadel des Tiefenmessers im Moment bewegt. Jedes Weiterrücken auf dem Tiefenmesser ist ein weiterer Meter Wasser zwischen Bischoff und der Sonne und der Luft.
»Messerschmitt, das wäre was für mich«, murmelt Bischoff. Ein Mann, der mit einem Hammer auf Messer einschlägt, aber auch ein schönes Ding, das fliegt.
»Du wirst wieder Licht sehen und frische Luft atmen, Günter«, sagt Rudolf von Hacklheber, ein ziviler Mathematiker, der während eines Kampfes auf Leben und Tod eigentlich nichts auf der Brücke eines Unterseebootes verloren hat. Aber er hat auch anderswo nichts verloren, und so ist er eben hier.
Und was er da gesagt hat, ist nett, eine schöne Art, seine Unterstützung für Günter zu zeigen. Aber ob das Leben der Unterseeboot -Besatzung gerettet und dessen Goldfracht in Sicherheit gebracht wird, hängt nun von Günters psychischer Stabilität und besonders von seinem Selbstvertrauen ab. Manchmal muss man, wenn man morgen noch leben und atmen will, heute in die schwarzen Tiefen tauchen, und das ist eine Glaubenssache – Glaube an das Unterseeboot und an die Besatzung -, neben der die religiösen Epiphanien der Heiligen ein Nichts sind.
Darum ist Rudis Versprechen bald vergessen – zumindest von Bischoff vergessen. Bischoff bezieht Kraft daraus, dass er es gehört hat, wie auch aus ähnlichen Äußerungen, die Angehörige seiner Mannschaft ihm gegenüber machen, aus ihrem Grinsen, ihren hochgereckten Daumen und ihrem Schulterklopfen, aus ihrem Schneid und ihrer Initiative, aus dem Geschick, mit dem sie geborstene Röhren und überbeanspruchte Maschinen reparieren. Kraft gibt ihm Glauben, und der Glaube macht ihn zu einem guten Unterseeboot-Kapitän. Mancher würde sagen, zum besten, der je gelebt hat. Aber Bischoff kennt viele andere, die besser waren als er und deren Leichen in Fäusten aus implodiertem Metall auf dem Grund des Nordatlantiks stecken.
Es verhält sich folgendermaßen: Die Sonne ist untergegangen, wie sie das, auch wenn man sich in einem unter Angriff stehenden Unterseeboot befindet, verlässlich jeden Tag tut. Das Unterseeboot hat eine Bahn durch die Palawan Passage gezogen, nachdem es mehrere Stunden lang mit der vollkommen unsinnigen Geschwindigkeit von neunundzwanzig Knoten dahingesaust ist – viermal so schnell, wie Unterseeboote vermeintlich fahren können.
Die Amerikaner werden einen kleinen Kreis um die Stelle im Ozean gezogen haben, an der das geheimnisvolle Unterseeboote zuletzt gesichtet wurde; aber die Geschwindigkeit der V-Million ist viermal so hoch, wie sie glauben. Der eigentliche Kreis ist viermal so umfangreich wie der, den sie gezogen haben. Die Yanks werden dort, wo sich das Unterseeboot befindet, nicht mit seinem Auftauchen rechnen.
Aber auftauchen muss es, denn die V-Million ist nicht darauf ausgelegt, ewig mit neunundzwanzig Knoten zu fahren; sie verbraucht, wenn ihre beiden Sechstausend-PS-Turbinen mit voller Kraft laufen, in geradezu aberwitzigem Tempo Treibstoff und Wasserstoffperoxid. Treibstoff haben sie noch reichlich. Aber gegen Mitternacht wird das Wasserstoffperoxid zu Ende gehen. Das Boot verfügt über ein paar jämmerliche Batterien und Elektromotoren, die gerade ausreichen, um es an die Oberfläche zu bringen. Aber dann muss es eine Weile Luft schnappen und seine Dieselmotoren laufen lassen.
Und so bekommen die V-Million und einige ihrer Besatzungsmitglieder Gelegenheit, etwas frische Luft zu genießen. Bischoff nicht, weil er sich gerade mit neuen Komplikationen beschäftigt, die im Maschinenraum aufgetreten sind. Das rettet ihm wahrscheinlich das Leben, denn dass sie unter Beschuss stehen, merkt er erst, als er die Kanonengeschosse gegen die Außenhülle
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