Crystall (German Edition)
Recht du hast. Das Abenteuer ist vorbei, jetzt könnt ihr euch wieder in Ruhe sonnen.“
„Das kann ich gebrauchen“, stimmte Nirrka zu. „Von Aufregung habe ich erst einmal genug. Nur gut, dass wir die Bestie nie wieder sehen und wahrscheinlich wird es keiner mehr wagen, die Kristalle zu rauben.“ Zum zweiten Mal blies sie laut und genussvoll die Luft aus. „Ist Frieden nicht etwas Herrliches.“
„Hm“, machte Mandy verträumt, lächelte wieder und ergriff Nirrkas Hand. „Machen wir, dass wir fortkommen. Ich kann die Berge nicht mehr sehen.“
„Auch das ist wahr.“
Die Mädchen gingen los. In ihren Gesichtern spiegelte sich neue Lebensenergie. Sie fühlten sich wie die Menschen, die den Winter hassten und nun den ersten, warmen Frühlingstag erlebten.
Und genossen.
„Wenn wir in Nectar sind, gibt es noch viel zu klären.“
Nirrka verzog überrascht das Gesicht. „Ach ja?“
Mandy grinste breit. „Ja, genau! Durch deinen Übermut habe ich mir eine Schulter ausgerenkt, eine Rippe gebrochen, das Handgelenk verstaucht und werde wahrscheinlich nie wieder in meinem Leben fliegen.“
Nirrka schwieg einen Moment, dann erwiderte sie das Grinsen. „Gern geschehen, liebe Freundin. Übrigens, ich bin sicher, Sator würde Augen machen, wenn er erführe, dass ein gewisses Mädchen in ihn verknallt ist.“
Mandy fuhr heftig zusammen. „So? Na warte, wenn...“
Ein heftiges Sprudeln und Blubbern ließ die Mädchen verstummen. Langsam fuhren sie herum und betrachteten neugierig den Tümpel.
„Ach, schlammige Brühe. Ich möchte nicht wissen, was darin alles lebt.“ Nirrka zuckte nur mit den Schultern und wollte gerade weitergehen.
Mandy hielt sie am Arm fest. „Etwas ... stimmt nicht.“
Nirrka seufzte. „Du hast zu viel Fantasie. Lass uns endlich verschwinden.“
Mandy dachte gar nicht daran. Misstrauisch starrte sie in das Becken. Die graue Brühe blieb nicht ruhig. Zuerst gingen Kreise wellenartig über die Oberfläche, dann bildeten sich kleinere Blasen.
„Was willst du noch?“
„Sieh dir die Fläche an“, meinte Mandy. „Sie liegt nicht mehr ruhig. Sie bewegt sich, als ... als tauche etwas auf.“
„Du bist einfach überanstrengt“, erwiderte Nirrka unbeeindruckt.
„Warte noch.“
„Aber...“
Die Blasen wurden immer größer, das Sprudeln tosender und lärmender, bis die Brühe schließlich brodelte, als würde sogleich ein Vulkan ausbrechen. Geysirartige Ausstöße erfolgten, die ganze graue Masse sprudelte und quoll und dampfte. Dann zerriss die Oberfläche, eine gewaltige Fontäne jagte empor und verbarg einen Schemen wie hinter einem Wasserschleier.
„Heilige Mutter Gottes“, flüsterte Mandy entsetzt und starrte gebannt auf das Wesen über dem Becken.
Ein gigantischer Körper mit Schwingen erschien hinter einem grauen Mantel, der nur allmählich abfiel. Jetzt glich er wirklich dem wiedergeborenen Azrael, dem Rachegott, dem Engel des Todes.
Mandy und Nirrka prallten förmlich zurück, als wären sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Die Augen quollen ungläubig aus den Höhlen, der Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet.
Sie konnten es nicht fassen.
Die Eisbestie war vollkommen unversehrt – und sie war zurückgekehrt ...
Das Denken schien einen Moment auszusetzen, zumindest, was die Logik betraf. Es war unmöglich. Selbst eine Kreatur von dieser Größe und Fülle konnte doch nicht wirklich gegen kochende, ätzende und wahrscheinlich vergiftete Flüssigkeit – oder was auch immer das sein mochte – immun sein. Nicht ein Kratzer blieb zurück, es hatte den Anschein, als ob das Ungeheuer nur in klarem Wasser baden gewesen war.
Mandy krallte ihre Finger in die von Nirrka, spürte, wie jeder Teil ihres Körpers zu beben begann und neuerlicher Schweiß auf ihrer Haut ausbrach.
Nirrka konnte es nicht wesentlich besser ergehen. Sie war zur Steinsäule erstarrt, ihre Hand unruhig und feucht. Dabei hätte sie sich als Bewohner dieser Welt um einiges mehr unter Kontrolle haben sollen.
Mandy ging drei oder vier Schritte rückwärts, zwang ihre Freundin dabei mit sich und ließ die Kreatur nicht aus den Augen. Viel zu mächtig war der Schrecken, der an ihr haftete. Einem Unglauben folgte der nächste, einer Tragödie die andere und jedem Horror ein neuer.
Mandy fühlte sich irgendwie in der Zeit gefangen, so, als ob das Leben nicht mehr vorwärts ging und jedes Eingreifen formte kein Schicksal, sondern blieb im Grunde bedeutungslos. Es erschien ihr geradeso,
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