Crystall (German Edition)
andere als bequem war, auf diesem betonartigen Boden zu gehen, übersät mit Felstrümmern, Kieseln und weißgrauem Kalk.
Jeder Schritt verursachte Lärm, wie es eben war, wenn man über Schotter lief. Aber momentan blieb sie ohnehin einsam in dem Gebirgsbecken. Die Sonne stand direkt darüber und schien unablässig in die Tiefe. Hier, ein gutes Stück von dem Eisland entfernt, spürte sie, wie warm es eigentlich war. Fast schon wieder belastend.
Mit jedem Schritt, den sie tat, als wäre sie ein Kleinkind, dem das Laufen beigebracht wurde, kehrten auch ihre Sinne verschärft zurück. Und erst nach fünf Minuten hörte sie überhaupt die Geräusche. Es klang nach einem Brodeln und Blubbern.
Mandy fuhr gemächlich herum und erkannte eine Art Tümpel, unmittelbar neben der Stelle, wo sie gerade gelegen hatte. Er stellte das diesseitige Ende des Gebirgsbeckens dar und hatte die Größe eines Bergsees. Was er aber letztlich nicht im Entferntesten war. Vielmehr glich dieser Sud irgendeinem See in der Vulkanlandschaft. Er war leicht gräulich und wies keine ruhige Oberfläche auf, sondern sprudelte ununterbrochen, wie ein Topf mit kochend heißem Wasser. Mit dem Unterschied, dass aus dieser grauen Masse nicht nur Blasen an die Oberfläche traten, sondern regelrechte Geysire, die sich nur nicht voll entfalten konnten. Unablässig brodelte es, die Blasen platzen auseinander, Tropfen spritzten wie Säure davon. Nur der erwartete Gestank blieb aus. Alles in allem sah sie natürlich einen schlichten mit Sud gefüllten Tümpel vor sich.
Mandy fragte sich, ob vielleicht ein Vulkan in der Nähe sein könnte. Sie zweifelte nicht daran, dass diese Masse in dem See ätzend und glutheiß sein würde.
Abstand war also angesagt.
Das Mädchen machte kehrt und entfernte sich einige Schritte. Nur die dampfenden, sprudelnden Geräusche zeugten noch von der Existenz dieser Brühe.
Mandy warf den Blick in alle Richtungen, konnte jedoch nichts Brauchbares entdecken. Sie hätte schon alle Hoffnung fahren lassen, wären da nicht neue Geräusche erklungen. Hastige Schritte.
Mandy blinzelte scharf voraus, als die eiligen Laute deutlicher wurden. Jemand rannte über Schotter. Bisher erkannte sie nur einen Schemen auf der anderen Seite des gewaltigen, gut zweihundert Meter durchmessenden Gebirgsbeckens.
Der Schatten kam schnell und zickzackförmig näher. Oder war es ein erschöpftes Taumeln?
Mandy blieb stehen und spannte sich. Fast ungewöhnlich ruhig sah sie dem Ankömmling entgegen. Dennoch atmete sie erleichtert auf, als der Schemen auf halber Distanz sichtbar wurde.
Nirrka!
Und sie lebte. Mandy zauberte ein Lächeln auf die Lippen und lief dem Mädchen ein Stück entgegen.
Nirrka wirkte erleichtert, selbst über ihre Erschöpfung hinweg. Sie stoppte so rasant vor Mandy, als hätte sie diese erst im letzten Augenblick gesehen. Sie stemmte die Hände auf die Oberschenkel und holte tief Luft.
„Nirrka, du bist in Ordnung. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“ Mandy schloss das Mädchen einen Herzschlag lang in die Arme.
Nirrka befreite sich mit sanfter Gewalt. „Und ich erst“, meinte sie leicht schnaufend. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir das überleben.“
„Ziemlich leichtsinnig von dir gewesen“, tadelte Mandy trotzdem.
Plötzlich grinste Nirrka. „Das weiß ich. Aber wir haben es zum Glück überstanden.“
„Und du offenbar noch besser als ich.“
Das Mädchen warf einen kurzen Blick zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Ich hab es eben ein wenig eleganter gemacht. Aber darüber können wir später diskutieren. Wir sitzen in diesem Becken hier fest. Es gibt nur einen Weg durch die Berge, aber auf dem lauert die Bestie. Ich konnte sie abschütteln, wir haben ein wenig Vorsprung.“
„Aber sie wird unsere Spur aufnehmen und demnächst hier aufkreuzen, richtig?“
Nirrka nickte. „Ja ... ich sage es nur ungern, aber wir sitzen in der Falle. Wir kommen um einen Kampf mit der Kreatur nicht mehr herum und wir werden auf uns gestellt sein.“ Nirrka legte eine dramatische Pause ein. „Wenn wir je überleben wollen, dann sollten wir uns jetzt etwas einfallen lassen.“
Mandy blinzelte überrascht. „Das klingt gar nicht gut.“
„Nein. Also, Schluss mit dem unnötigen Gequatsche. Wir brauchen in den nächsten Minuten – besser noch eher – einen Plan oder auch zwei.“
Mandy seufzte. Diese Misere kam so plötzlich, dass sie einen Moment unfähig war, überhaupt etwas zu denken. Nervös
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