Cthulhu-Geistergeschichten
und offensichtlich laut daraus vorlas. Jedes der Dinge deutete nach einer gewissen Stelle, jede ihrer Fratzen war zu einer dämonischen, epileptisch verzerrten Karikatur verzogen, ja, man meinte förmlich, ihr schreckliches Gelächter zu hören. Das Bild trug folgenden Titel: Holmes, Lowell und Longfellow liegen auf dem Mount Auburn beerdigt.
Nachdem ich mich wieder ein wenig gefaßt und an dieses zweite Schreckenskabinett gewöhnt hatte, betrachtete ich dessen einzelne Stücke mit größerer Ruhe, um die Ursachen jener abgrundtiefen Abscheulichkeit genauer zu analysieren, die mich bei ihrem Anblick überfallen hatte. Ich sagte mir, daß wohl vor allem die Tatsache schuld daran war, daß sie Pickman in seiner exzessiven Unmenschlichkeit zeigten. Er mußte ein gnadenloser Feind aller Menschheit sein, daß ihn die Folter des Hirns und des Fleisches und die Erniedrigungen der sterblichen Hülle so entzückten. Dazu gesellte sich freilich auch die meisterhafte Manier, in der die Bilder gemalt worden waren. Es war vor allem die ihnen innewohnende Überzeugungskraft — denn, stand man vor diesen Werken, so sah man die Dämonen unmittelbar. Seltsamerweise aber erzielte Pickman diese Effekte nicht etwa durch grobe Kontraste oder überspitzte Bizarrerien.
Nichts an seinen Studien war diffus, verzerrt oder abgemildert, die Umrisse traten scharf und lebensecht auf, sämtliche Details waren mit peinlichster Genauigkeit ausgeführt. Und diese Gesichter!!
Hier war nicht ein Künstler am Werk gewesen, der das von ihm Gesehene in ihm gemäße Formen übertragen hatte; es war ein schieres Pandämonium, objektiv klar wie Kristall. Bei Gott, das war es! Dieser Mann war weder ein Phantast noch ein Romantiker - er versuchte keineswegs, uns die schäumenden, prismatischen Ephe-mera des Traums zu oktroyieren, nein, er schilderte mit eiskalter Überlegung eine wohlfundierte Welt des Horrors, die er ohne Beschönigungsversuche oder barmherzige Abstriche in klaren Formen ausdrückte. Weiß der Teufel, wo diese Welt gelegen oder wo er diese heillosen, verdammten Wesen, die da schlurften, hopsten, madenhaft krochen, erschaut haben mag! Eine Tatsache war jedenfalls evident: Pickman war -
gemessen an Beobachtung und Ausführung - in jeder Beziehung ein durch und durch genauer, ja fast wissenschaftlich vorgehender Realist.
Mein Gastgeber ging jetzt voraus, um mir sein eigentliches Atelier in den Kellerräumen zu zeigen, und ich bereitete mich im stillen auf einige abominable Szenen bei den noch unvollendeten Studien vor. Als wir an der untersten Stufe der Kellertreppe angelangt waren, schaltete er seine Taschenlampe ein und richtete sie gegen ein kreisrundes Gebilde, das aus Backstein ausgeführt war, und augenscheinlich die Einfassung eines Brunnens darstellte. Als ich näher herantrat, sah ich, daß mich meine Vermutung nicht getäuscht hatte. Der Brunnen besaß einen Durchmesser von etwa fünf Fuß, die Wandung war gut einen Fuß dick und erhob sich nahezu sechs Zoll über dem feuchten, modernden Fliesenboden — solide Maurerarbeit aus dem 17. Jahrhundert, wenn ich mich nicht irre. Pickman zeigte darauf und erklärte mir, daß dieser Brunnen ein Teil jenes unterirdischen Systems von Gängen und Gewölben sei, über das er mir berichtet habe. Im Vorbeigehen stellte ich fest, daß die Öffnung nicht zugemauert, sondern bloß mit einem schweren, dunklen Holzdeckel verschlossen war. Einen Augenblick entsann ich mich wieder Pickmans Schilderungen jener grausiger Vorgänge, welche sich vor Zeiten hier abgespielt haben mochten, und fuhr erschreckt zusammen. Schaudernd folgte ich ihm durch eine enge Türe in einen Raum mittlerer Größe, der als Malatelier eingerichtet war. Eine große Azethylenlampe versorgte ihn mit dem nötigen Licht für seine Arbeit.
Die noch unfertigen Bilder entlang der feuchten Wände oder auf den Staffeleien waren nicht minder entsetzenerregend als die im Erdgeschoß hängenden. Aber an ihnen konnte man die peinlich genauen Methoden des Malers besser verfolgen. Die einzelnen Szenen waren sorgfältig mit Kohle ausgeführt und mit feinen Strichen in quadratische Felder eingeteilt, damit Pickman später Perspektive und Proportion entsprechend übertragen konnte. Der Mann war großartig! Ich ändere auch jetzt, nachdem ich all das über ihn erfahren habe, nicht mein Urteil. Eine große Fotokamera, die auf einem Tisch lag, erregte mein Interesse. Ich fragte mich, wozu sie dienen möge, und erfuhr, daß er damit die Szenen
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